8. November 2011

Der Donnerstein von Ensisheim

"Bey einem solchen Zusammensturz werden sich nach allgemeinen Naturgesetzen folgende Phänomene ereignen: Trüber Himmel ist das erste, dann Regen, Hochgewitter und Orkane; die Seen und Flüsse treten endlich aus den Ufern, das Meer geht von Osten nach Westen über die niedrigsten Küstenländer und dann später auch über die höchsten Erdrücken hinweg…[] Fällt er auf die südliche Erdhälfte, so haben wir Orkane, Erdbeben und wegen der Wasserverteilung zuletzt Überschwemmungen über die höchsten Berge; fällt er in die nördliche, so sehen wir nichts davon, denn wir sind dann schon lange todt, weil sich die Wasser beyder Weltkörper zuerst berühren und bey uns zu mehr als tausend Meilen aufthürmen…[]
Gänzlicher Untergang aller auf dem Lande lebender Wesen wird die Folge seyn und wenn sich nach Jahrtausenden einst das Meerwasser in dem Äther verloren hat, werden auch neue Thierarten auf dem Lande zu leben häufige Versuche gemacht haben, wovon ihnen ohne Zweifel nach Jahrtausenden mehrere gelungen seyn werden.
"
Franz von Paula Gruithuisen (1774-1852) "Ueber die Natur der Kometen..." (1811)

Am 7. November 1492, um 11.30 geschah ungeheuerliches nahe der Stadt Ensisheim im heutigen Elsass. Am Himmel war ein "Blitz und lang anhaltendes Donnern" zu hören und bald darauf wurde in einem Weizenfeld ein Stein in einem "halben Menschenlänge" tiefen Loch entdeckt. Mit Hilfe einiger starker Männer und eines Ochsenkarrens wurde der Stein in einer feierlichen Prozession in die Stadt gebracht.

Abb.1. In einem zeitgenössischen Bild aus der “Schweizer Bilderchronik des Luzerners“, von Diebold Schilling  (1512), wird der seltsame Vorfall von Ensisheim ausführlich dargestellt und beschrieben.

Der österreichische Kaiser Maximilian I der in der Stadt weilte ordnete an den Stein in der örtlichen Kirche zu verwahren. Dies schien notwendig, da solch seltsame, vom Himmel gefallene Steine als gefährliche Vorboten des Krieges, der Pest und der Hungersnot angesehen wurden. Nur indem man den Stein in Ketten auf heiligen Boden verwahrte konnte der böse Bann gebrochen werden. Allerdings verhinderte der vermeintliche Fluch nicht das der Kaiser und andere Personen Stücke als Souvenir vom Stein abschlagen ließen. 
Der 127 Kilogramm schwere Stein wurde rasch als "Donnerstein von Ensisheim" bekannt und die Nachricht wurde mittels Flugblätter in ganz Europa verbreitet. In einem der ersten Broschüren betont der Humanist Johann Bergmann von Olpe dass in den vorherigen Jahren bereits viele seltsame Erscheinungen am Himmel beobachtet wurden, keine aber seltsamer als dieser Stein, dessen Donner angeblich über ganz Europa gehört wurde.
Der Donnerstein von Ensisheim ist heute einer der ältesten beschriebenen Meteoritenfälle von denen Material noch erhalten ist. Viele Meteoriten, vor allem wenn sie aus Eisen bestanden, wurden als Rohmaterial verwendet, oder im Laufe der Zeit zerstückelt um Kuriositätenkabinetten zu zieren oder gingen einfach verloren. Die Herkunft der Steine vom Himmel oder genauer gesagt aus dem All wurde erst im späten 18. Jahrhundert wissenschaftlich beschrieben. In 1794 publiziert der Deutsche Arzt und Anwalt Ernst Friedrich Chladni (1756-1827) eine umfangreiche Sammlung von Augenzeugenberichte und geologisch-petrologischen Untersuchungen unter dem Titel "Über den Ursprung der von Pallas gefundenen und anderer ihr ähnlicher Eisenmassen, und über einige damit in Verbindung stehende Naturerscheinungen".

Literatur:

BÜHLER, R.W. (1992): Meteorite – Urmaterie aus dem interplanetaren Raum. Weltbild Verlag:, Augsburg: 192

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