19. November 2012

Feuer und Wasser

Bereits im 18. Jahrhundert war das italienische Fassatal bekannt für seine Mineralstufen, die in zahlreiche Kuriositätenkabinette der Zeit bewundert werden konnten. Die erste wissenschaftliche Monographie wurde allerdings erst 1811 vom italienischen Geologen Gian Battista Brocchi (1772-1826) veröffentlicht. "Memoria mineralogica sulla Valle di Fassa. - ...mineralogische Abhandlung über das Thal von Fassa in Tirol..." wurde ein großer Erfolg und unter anderem ins Deutsche und Französische übersetzt. 

Abb.1. Beim Fassait handelt es sich um ein kontaktmetamorphe Diopsid-Varietät, die in den Kontaktaureole der Intrusionen des Monzoni-Komplex gefunden werden kann.
 
Doch das Fassatal sollte bald darauf für eine geologische Unmöglichkeit berühmt-berüchtigt werden. In 1820 beschrieb der Geologe Graf Giuseppe Marzari-Pencati (1779-1836) die stratigraphischen Verhältnisse des Tales - dabei entdeckte er an der Lokalität "Canzoccoli", oberhalb des Dorfes Predazzo, das Kalkstein neben Granit (eigentlich ein Monzonit-Syenit) auftrat.

Abb.2. und 3. Die Lokalität "Canzoccoli" von Predazzo aus gesehen und eine geologische Skizze um 1846. Der Syenit (rechts) steht in engen Kontakt mit dem Kalkstein (links) und wird von letzteren über- wie auch unterlagert (Carta Geologica Foglio 22 "Feltre")
   
Dies war nach der damaligen vorherrschenden Lehre des Neptunismus unmöglich, der alle Gesteine als Absatzgesteine eines "Urmeeres" interpretierte und Granit als ältestes Gestein lange vor Kalkstein ausgefällt worden sein musste. Der Neptunismus wurde vom französischen Diplomat und Naturwissenschaftler Benoît de Maillet (1656-1738) begründet, der in seinem posthumen Werk "Telliamed" (1748) Fossilien beschrieb, die hoch in den Bergen gefunden wurde. Maillet schlussfolgerte daraus, dass die gesamte Erde einst bis zu den höchsten Gipfel von einem Urmeer bedeckt war, aus dem die Gesteine sedimentierten.

Die dominierende Rolle des Neptunismus im Mitteleuropa des 19. Jahrhunderts wird oft auf die "dogmatische" Lehre des Inspektors der Bergakademie, Abraham Gottlob Werner (1749-1817), zurückgeführt. Tatsächlich beeinflusste Werner eine ganze Geologengeneration (seine Schüler umfassten unter anderem Leopold von Buch und Alexander von Humboldt), allerdings fußte seine Hypothese auch auf genaue (leider aber auch beschränkte) Naturbetrachtung und erschien den meisten Gelehrten der damaligen Zeit als schlüssig. In seinem Werk "Kurze Klassifikation und Beschreibung der verschiedenen Gesteinsarten" (1787) erarbeitet er ein Klassifikationsschema für Gesteine, das hauptsächlich von ihrer Schichtabfolge und Lagerung ausging, und dabei auch vermutetes Alter und Bildungsbedingungen berücksichtigte.


Abb.4. Darstellung durch den Künstler Johannes Kentmann der Basaltsäulen des Burgberges von Stolpen (Lausitz-Sachsen) im Werk "De omni rerum fossilium genere,...()" (1565) von Konrad Gesner. Dieser Aufschluss wurde bereits 1520 erwähnt, als Carolus von Miltitz ein Handstück des Basalts nebst einen Begleitbrief an Friedrich den Weisen sandte. 1546 nutzt Georgus Agricola in seinem "De Natura Fossilium" den Namen "Basalt" zum ersten mal für diesen Aufschluss und ersetzt damit den älteren Begriff  - eingeührt von Plinius - "Basanit".
Die Darstellung der Basaltsäulen als Kristalle macht deutlich, dass die Idee der Neptunisten von Gesteinen, als Produkte ausgefällt von Wasser, eine lange Tradition hatte.

Nach Werner konnte die Schichtabfolge im Gelände durch einen ehemaligen Weltozean erklärt werden. Nach der Bildung der Erde aus einem kosmischen Nebel formte sich ein fester Kern, der von einer Hülle einer wässrigen Lösung umgeben war. Aus dieser Lösung fällten sich nach und nach Kristalle aus, die absedimentierten und die verschiedenen Gesteinsarten bildete - zuerst Granit, der zumeist ganz unten anzutreffen ist, gefolgt von Gneis, Schiefer, Basalt und schließlich Kalkstein und andere "Sedimentgesteine" Als beispielhaftes Profil beschrieb er 1788 in "Bekanntmachungen einer von ihm am Scheibenberger Hügel (eine Lokalität im Erzgebirge - Sachsen) über die Entstehung des Basalts gemachte Entdeckung" eine Abfolge von horizontalen Schichten aus tertiären Sanden, Tongesteine, Konglomerate, Hyaloklastite ("Peperit") und Basaltdecken. Werner vermutete, dass diese horizontale Abfolge weltweit Gültigkeit hatte -  und auch die "symmetrische" Lagerung der Alpen sollte damit erklärbar sein.

Weiters waren aktive Vulkane in Europa nur von Süditalien bekannt - deren Eruptionen zwar spektakulär, aber Auswirkungen und Ablagerungen räumlich stark beschränkt waren. Flutbasalte und große Intrusionen, z.B. wie sie in Island auftreten, waren den meisten Gelehrten der damaligen Zeit noch weitgehend unbekannt. Tatsächlich stimmten die meisten Geologen der damaligen Zeit Werner zu - Magmatische Aktivität war zu schwach, um die großräumigen Landschaften der Erdkruste zu erklären.


Giuseppe Marzari-Pencati war ein typischer Naturalist seiner Zeit, der sich zunächst mit Botanik befasste und nach ausgedehnten Reisen in ganz Europa (unter anderem Süditalien mit seinen Vulkanen) um 1802 der Geologie zuwandte. Als Aufseher für die Österreich-Ungarische Monarchie verschlug es ihn um 1806 in die Bergbaugebiete des damaligen Tirols. Vielleicht beeinflusst von seiner Erfahrung mit Vulkanen, war er überzeugt davon das magmatischer Aktivität eine bedeutende Rolle in der Genese von Gesteinen zukommen musste.
Um 1820 publizierte er einen Artikel im "Nuovo Osservatore Veneziano" über die Lokalität "Canzoccoli", wo er das gleichzeitige Auftreten eines kristallinen Syenits (auch als Monzonit bezeichnet) neben einem weißen, homogenen Kalkstein - als "Predazzite" bezeichnet -beschrieb.

Abb.6. Handstücke von "Predazzite", eigentlich ein kontaktmetamorpher Kalk-Marmor.

Pencati behauptete, dass Predazzit eigentlich keine eigene Gesteinsart, sondern ein durch hohe Temperaturen umkristallisierter Kalkstein war - dies bedeutet nicht nur das der Kalkstein vor dem Eindringen des geschmolzenen Syenit bereits vorhanden gewesen sein musste (also älter als der Syenit war), sondern das Ausfällung aus einer Lösung bei der Bildung dieser Gesteine keine Rolle gespielt hatte. 
Zwei Jahre später besuchte Leopold von Buch Predazzo um eine neptunistische Erklärung für die ungewöhnlichen Lagerungsverhältnisse zu finden. Er schlug zunächst einen Bergrutsch vor, der die ursprünglichen horizontalen Schichtungen verstellt und verfälscht hatte, allerdings waren die Gesteine ungestört und der Übergang von Syenit zu Kalkstein war keine scharfe Grenze, sondern ein Übergang mit einer ausgeprägten Kontaktaureole (der metamorphe Predazzit).

Abb.7. Zahlreiche Geologen besuchten das Dorf Predazzo um die geologischen Verhältnisse von plutonischen und sedimentären Gesteinen mit eigenen Augen zu sehen.

Die Idee einer magmatischen Genese der Gesteine war nicht neu. 1788 schlug der Schottische Geologe James Hutton vor, dass magmatische Gesteine in geschmolzenen Zustand in die Erdkruste eindrangen und kristalline Schiefer durch Erdwärme umgewandelte ehemalige Sedimentgesteine waren. Charles Lyell übernahm diese Hypothese in seinem einflussreichen Werk "Principles of Geology" (Erstausgabe 1830-33). Allerdings sollte der Streit ob Magma die einzigen Quelle von Gesteinen sein kann bis weit nach 1890 dauern.

Abb.8. und 9. Magmatische Gänge ("Serpentinit") durchschlagen "umgewandelten Kalkstein" der in Kontakt zu einer Intrusion von "Granit" liegt (aus "Geo-Mineralogische Skizzen über einige Täler Tirols", 1848). Diese Aufschluss-Skizze (und realer Aufschluss) beweißt verschiedene Alter und Phasen der Gesteinsbildung - von sedimentärem Riffkalkstein zu kleinräumigen ladinischen Basalt-Gängen und groß-maßstäblichen Granit-Intrusionen des Monzoni-Komplex (228-237 Millionen Jahre alt).

Literatur:

AVANZINI, M. & WACHTLER, M. (1999): Dolomiti La storia di una scoperta. Athesia - Bolzano: 150
DELLANTONIO, E. (1996): Geologia delle Valli di Fiemme e Fassa. Museo Civico Geologia e Etnografia - Predazzo: 72

LOOK, E.-R. & FELDMANN, L. (Hrsg.)(2006): Faszination Geologie – Die bedeutendsten Geotope Deutschlands. E. Schweizerbart´sche Verlagsbuchhandlung, Stuttgart: 179
WAGENBRETH, O.(1999): Geschichte der Geologie Deutschland. Georg Thieme Verlag: 264

9. Oktober 2012

Die Flutwelle von Vajont

Zusammenfassung des ursprünglichen Artikels von Scientific American
"October 9, 1963: Vajont"  

Am späten Abend des 9. Oktober 1963 löste sich vom Abhang des Monte Toc ein Gesteinsscholle mit mehr als 250.000.000 Kubikmeter Volumen - der darunter liegende Stausee wurde mit mehr als 400m Material aufgefüllt, das plötzlich verdrängte Wasser verursachte eine über 200m hohe Flutwelle die mehr als 2.000 Menschen tötete. 

7. September 2012

Der Bergsturz von Goldau

"und wer hingegen mit eigensten Augen den grauenvollen Schauplatz durchwandelt hat, der wird jede Schilderung zu schwach, und weit unter ihrer Wirklichkeit finden wollen. Um wahre Begriffe von der Wirkung dieses Natur und Menschen tödten Sturzes zu erhalten, und [] beurteilen zu können, muss wahrlich die Unglücksstätte selbst betreten, und dann noch mit streng beobachtenden Blick durchforscht werden."
Karl Zay "Schuttbuch" (1807)

Der Bergsturz von Goldau ereignete sich am 2. September 1806, vom 1.574m hohen Rossberg löste sich eine bis zu 70m mächtige Scholle, die das Dorf Goldau unter sich begrub und im Lauerzersee eine Flutwelle auslöste, die weitere Menschen tötete. Die genaue Anzahl der Opfer ist unbekannt, gemäß historischen Quellen geht man heutzutage von über 450 Opfern aus.

   
Abb.1. Landschaftsbild des Malers Xaver Triner (1767-1824)  mit der Abbruchnische am Rossberg und das verschüttete Goldau.

Der Bergsturz von Goldau ist für die Geschichte der Geologie dahingegen interessant, als dass es sich um einen der ersten Bergstürze handelt, der "naturwissenschaftlich" untersucht wurde. Der örtliche Arzt Karl Zay beobachtete den Bergsturz, sammelte nach der Katastrophe Augenzeugenberichte und veröffentlichte sie in dem Werk "Goldau und seine Gegend, wie sie war und wie sie geworden, in Zeichnungen und Beschreibungen" (1807, diese Werk wird oft auch als "Schuttbuch" bezeichnet). Durch diese Werk und Zeitungsberichte wurde der Bergsturz weit über die Landesgrenzen der Schweiz hinaus bekannt und zahlreiche Geologen besuchten die Gegend.
Bergstürze - Massenbewegungen mit einem Volumen über 1 Million Kubikmeter - wurden lange Zeit als göttliche Bestrafung angesehen. Nachdem ein Bergsturz im Jahre 1618 das Schweizer Dorf Plurs verschüttet hatte, kamen Gerüchte im Umlauf die die Bewohner von Plurs als korrupt darstellten und das Dorf als "ein irdisches Paradies von Laster gekennzeichnet" nennen. Alternativ wurde vorgeschlagen das vulkanische Aktivität oder Erdbeben einen Bergsturz auslösen könnten. Erst um 1834 entwickelte der Gelehrte Karl Ernst Adolf von Hoff eine Arbeitshypothese, die Bergstürze als Ergebnisse von vorbereitenden Faktoren (z.B. tektonischer Struktur, Schichtengefüge) und auslösender Faktoren (Wasserinfiltration in Klüften) behandelte.

 
Abb.2. Längsprofil des Goldauer Bergsturzes nach Heim, A. "Über Bergstürze" (1882).

Literatur:

BOLLINGER, D. (2006): Der Bergsturz von Goldau: Rückblick und Ausblick. Bull. angew. geol. Vol. 11(2): 3-12
BUSSMANN, F. & ANSELMETTI, F.S. (2010): Rossberg landslide history and flood chronology as recorded in Lake Lauerz sediments (Central Switzerland). Swiss J. Geosci. 103: 43-59
EVANS, S.G. & DeGRAFF, J.V. (2002): Catastrophic Landslides: Effects, Occurrence, and Mechanisms. Reviews in Engineering Geology Vol. XV, The Geological Society of America: 411
FLÜELER, E. (2011): Berge entstehen - Berge vergehen: Wanderungen zu Bergstürzen entlang der Alpen. Ott Verlag: 208
HÖFLER, H. & WITT, G. (2010): Katastrophen am Berg – Tragödien der Alpingeschichte. Bruckmann Verlag: 144
THURO, K., BERNER, C. & EBERHARDT, E. (2005): Der Bergsturz von Goldau 1806 – Versagensmechanismen in wechsellagernden Konglomeraten und Mergeln. In: Moser, M. (ed): Veröffentlichungen von der 15. Tagung Ingenieurgeologie, 6-9. April 2005, Erlangen: 303-308
THURO, K. & HATEM, M. (2010): The 1806 Goldau landslide event – analysis of a large rock slide. Williams (ed.): Geologically Active. Taylor & Francis, London: 3693-3700

20. August 2012

Berge des Wahnsinns

"Berge des Wahnsinns" ist eine Horror/Science-Fiction Fortsetzungsgeschichte die 1936 zum ersten Mal in der Zeitschrift "Astounding Stories" veröffentlicht wurde. Geschrieben wurde die Novelle bereits fünf Jahre vorher vom Gelegenheitsautor H.P. Lovecraft  (der just am 20. August 1890 geboren wurde).
Die Handlung: Um etwa 1930 ist Geologe William Dyer einer der wenigen Überlebenden einer gescheiterten biologisch-geologisch Expedition zum Südpol. Zunächst höchst erfolgreich, entdeckt ein kleiner Spähtrupp  der Expedition eine Gebirgsdecke gewaltiger Ausmaße, bei weitem höher als der Himalaya, mitten in der Eiswüste des antarktischen Kontinents - regelrechte Berge des Wahnsinns. Rasch wird ein provisorisches Lager aufgestellt, wobei noch bemerkenswertere Entdeckungen gemacht werden - in einer Höhle werden Fossilien unbekannter Herkunft udn Alters ausgegraben. Doch bei einem Schneesturm geht der Kontakt zum Spähtrupp verloren.  William Dyer erreicht das Basiscamp, findet aber nur Verwüstung und Tod vor - die Suche nach was dort gewütet hat, führt ihn jenseits den Bergen des Wahnsinns…

Lovecraft war von kränklicher Natur, so dass er nicht die reguläre Schule besuchen konnte und trotz Liebe zur Wissenschaft ihm ein Universitätsstudium verwehrt blieb, allerdings konnte er auf eine reiche Buchsammlung zurückgreifen - besonders beschäftigte er sich mit Astronomie und Geologie.
Als einer der ersten Autoren der klassische Gruselgeschichten des 18/19 Jahrhunderts mit Elementen der Science-Fiction des 20 Jahrhunderts verband, legte Lovecraft wert darauf, dass sein fiktiven Protagonisten mit den neuesten Erkenntnisse der Wissenschaft zu seiner Zeit vertraut waren. So "zitiert" Dyer in "Berge des Wahnsinns" mehrmals die Richard Evelyn Byrd-Expedition, die in den Jahren 1928-1930 geologische Untersuchungen in der Antarktis durchführte. Die letzten weißen (Küsten-)Flecken der Antarktis waren erst 1929-1931 von einer Britisch-Australischen-Neuseeländischen Expedition kartiert worden, große Teile des Inneren - wie auch die Geologie und Paläontologie - des Kontinents waren aber noch unbekannt. Erste Fossilien (versteinertes Holz) waren in den Jahren 1892-1893 auf Seymour Island durch eine Norwegische Expedition gesammelt worden. Der erste Geologe in der Antarktis war der Schwede Otto Nordenskjöld, der zwischen 1902-1903 Pflanzenfossilien des Jura entdeckte und auch um einige Millionen Jahre jüngere Pinguinfossilien. Die Pflanzenfossilien überzeugten Nordenskjöld davon, dass in der Antarktis einst ein tropisches Klima geherrscht hatte.
Auch Lovecraft beschreibt die Entdeckung von Pflanzenfossilien und stellt fest, dass die Berge des Wahnsinns nicht immer eisbedeckt gewesen sein konnten. Lovecraft beschreibt auch Tierfossilien, darunter Archaeocyathiden - schwamm-ähnliche Organismen des Kambriums (500 Millionen Jahre alt). Für Lovecraft waren diese Fossilien, die in der Geschichte teilweise sehr detailliert beschrieben werden, ein wesentlicher Teil seines Horrorromans  - sie sollten dem Leser den Abgrund der Zeit, dem er gegenüberstand, verdeutlichen. Genau aus diesem Abgrund war aber etwas zu uns gekommen - etwas tödliches - das selbst Dyer/Lovecraft nur ansatzweise zu nennen wagt -"die großen Alten"!

Lovecraft war auch sehr an der - zu seiner Zeit heftig diskutieren - Kontinentaldrift interessiert. Er war über die neusten Entwicklungen informiert und scheint gegenüber dieser Theorie sehr aufgeschlossen gewesen zu sein. So schreibt er in "Berge des Wahnsinns" wörtlich, als Dyer in einer toten Stadt eine unheimliche Karte der frühen Erde entdeckt:

"Eine andere Karte zeigt eine riesige, trockene Landmasse um den Südpol herum…[]… Spätere Karten, auf denen zu sehen ist wie die Landmasse zerbricht und auseinanderdriftet, und einzelne ihrer abgelösten Teile nach Norden wandern, bestätigen in verblüffender Weise die Theorien der Kontinentalverschiebung, die in jüngster Zeit von Taylor, Wegener und Joly aufgestellt wurden"

Literatur:

LONG, J. (2003): Mountains of Madness – A Scientist’s Odyssey in Antarctica. Jospeh Henry Press, Washington: 252

11. August 2012

Mars – die zweite Erde?

Mars - eine fremde Welt, die doch bei genauerer Betrachtung anscheinend überraschende Gemeinsamkeiten mit der Erde aufweist - angefangen bei der Rotation, die durch den britischen Astronomen William Herschel aufgrund Beobachtungen in den Jahren 1777-1783 auf 24 Stunden 39 Minuten und 21,67 Sekunden festgelegt wurde.

Erst 1638 wurden erste, vorläufige Zeichnungen der Marsoberfläche dank verbesserter Fernrohre möglich. Die ersten wissenschaftlich brauchbaren Karten wurden 1645 vom niederländischen Astronomen Christiaan Huygens hergestellt - eine große dunkle Fläche die fast den gesamten Planeten einnahm bezeichnete er als "Sanduhrmeer". Es war dann wiederum William Herschel der zwei weiße Flecke an den Polen als Eiskappen deutete, die im Laufe des Jahres größer und kleiner wurden. Es schien dass auf den Mars unterschiedliche Jahreszeiten herrschen und dass die polaren Eiskappen je nach Jahreszeit anwuchsen oder schrumpften. 
Im 19. Jahrhundert waren die Fernrohre soweit entwickelt, dass immer genauere Karten von Mars veröffentlicht wurden - der französische Astronom Camille Flammarion wertete mehr als 2.600 Marszeichnungen aus um 1876 eine besonders detaillierte Karte zu veröffentlichen. Flammarion zählte 2 Ozean, 22 Meere und 4 große Kanäle die 5 große Kontinente voneinander trennten. Laut Flammarion war der Mars der Erde so ähnlich, dass ein zufälliger Besucher keine großen Unterschiede zwischen den zwei Planeten bemerken würde.

"Bäche, die in ihrem von der Sonne vergoldeten Kieselbett davoneilen; Flüsse, welche die Ebenen durchziehen oder im Grunde der Täler als Wasserfälle rauschen; Ströme, die langsam durch weite Landschaften der Meere zueilen."

Abb.1. Eine Mars-Karte aus FLAMMARION (1884): "Les terres du Ciel"

Eines der berühmtesten Kapitel in der Erforschung des Mars wurde vom Mailänder Astronomen Giovanni Virgino Schiaparelli (1835-1910) verfasst. 1859 hatte der italienische Astronom und Jesuitenpater Angelo Secchi reguläre Strukturen auf den Mars beschrieben, die er "canali" nannte - eine etwas zweideutige Bezeichnung die zwar künstliche Kanäle meinen kann, aber auch auf einfache enge Flussläufe oder Rinnen zutrifft. Schiaparelli übernahm diese Bezeichnung, allerdings legt er sich nicht wirklich fest ob sie künstlicher oder natürlicher Natur sind und beschreibt die Formen auf den Mars zunächst schlichtweg. Er fasst sie als Furchen oder Niederungen auf, durch denen Wasser in die verschiedenen Meer strömen konnte bzw. von den Eiskappen an den Polen zum Äquator gelangt, er bemerkt am Ende:

"Es ist nicht notwendig, anzunehmen, dass es das Werk intelligenter Wesen sei; und trotz des geometrischen Aussehens dieses ganzen Systems sind wir geneigt zu glauben, dass es in der Evolution des Planeten entstanden ist, genauso wie auf Erden der Ärmelkanal oder der vom Mozambique."

Schiaparelli beobachtete als einer der Ersten eine anscheinende Verdoppelung der Marskanäle zu bestimmten Zeiten (eine Beobachtung, die wie er selbst zugab, nicht jeder nachvollziehen konnte). Er vermutete dass es sich dabei um Überschwemmungsgebiete handelte, die durch die Schneeschmelze an den Polen überschwemmt wurden.

Schiaparelli war der Annahme dass der Mars bewohnbar (oder sogar bewohnt war) nicht gänzlich abgetan - eine Möglichkeit die damals nicht nur als möglich, sondern sogar als wahrscheinlich galt. 
Im Jahre 1895 veröffentlichte er schließlich einen Artikel - "Das Leben auf dem Mars" - in dem er offen über diese Möglichkeit spekulierte (allerdings nahm er seine eigenen Spekulationen nicht allzu ernst). Er ging sogar so weit die Gesellschaftsstruktur der Marsianer aufgrund der Bauweise der Marskanäle zu beschreiben. Die anscheinende Verdoppelung bzw. die breiter werdenden Marskanäle waren gewaltige Bewässerungssysteme, die nicht nur eine entsprechend entwickelte Technologie, sondern auch eine globale (und daher sozialistische) Regierung die ein solches Mammutwerk kontrollieren konnte, voraussetzte.

Abb.2. Die berühmt-berüchtigten Mars-Kanäle laut Schiaparelli, aus FLAMMARION 1881.

Der Amerikaner Percival Lowell war einer der größten Verfechter der Hypothese von Mars als bewohnter Planet bzw. des Kampfes seiner Bewohner gegen die herrschende Dürre auf den Mars. Ein Kollege von Lowell - William Henry Pickering - stellte richtigerweise fest, dass die dunklen Gebiete auf den Mars keine Meere sein können, da sie keine Reflektion wie Wasser zeigten und auf verschiedenen Ebenen lagen. Pickering vertrat die Meinung, dass es sich um eine Art von Vegetation handelte.
Die periodischen Veränderungen ließen vermuten, dass diese Vegetation zu bestimmten Zeiten abstarb und später nachwuchs - die Marsianer - so Lowell - versuchten die Vegetationsperiode zu verlängern, indem sie mittels einem ausgeklügelten Kanalsystem Wasser über den Planeten verteilten.

"Die Austrocknung des Planeten schreitet mit Sicherheit so weit fort, bis überall auf seiner Oberfläche kein Leben mehr aufrechterhalten bleibt. Langsam, aber sicher wird es mit der Zeit ausgelöscht werden. Wenn der letzte Funken auf dieser Weise erstickt ist, wird der Planet als eine tote Welt durch den Weltraum rollen und seine evolutionäre Laufbahn wird für immer beendet sein."

All diese Spekulation beruhten auf die Beobachtungen, die von der Erde aus gemacht worden waren - selbst die größten und besten Teleskope konnten allerdings nur verschwommene Bilder liefern. Auf den Mars waren große Veränderungen der Oberfläche sichtbar, es schien möglich, ja sogar wahrscheinlich, dass es sich um biologische Aktivität handeln könnte. Theoretische Gegenbeweise, wie von Alfred Russel Wallace der nachwies dass es auf den Mars viel zu kalt für flüssiges Wasser war, hatten es schwer mit den  unheimlich-geheimnisvollen Karten und Abbildungen, die von Mars veröffentlicht wurden, mitzuhalten.

Erst 1964 sollte eine Sonde die ersten Nahaufnahmen vom Mars senden, ein Moment der unser Bild von Mars für immer verändern sollte…

Literatur:

BASALLA, G. (2006): Civilized Life in the Universe: Scientists on Intelligent Extraterrestrials. Oxford University Press: 233
OESER, E. (2009): Die Suche nach der zweiten Erde - Illusion und Wirklichkeit der Weltraumforschung. Wissenschaftliche Buchgesellschft-Darmstadt: 208

24. Juni 2012

Das Geheimnis der Dolomiten

Zusammenfassung des ursprünglichen Artikels von Scientific American
"The Mysterious Microbial Origin of Mountains"

Omnium rerum principia parva sunt“ Marcus Tullius Cicero (106-43 v.Chr.)
"Große Dinge fangen immer klein an"

Die Landschaft der Dolomiten wird durch eine Mineral- bzw. Gesteinsart geprägt, die den "Bleichen Berge" auch ihren Namen  verdanken: Dolomit. Dolomit ist ein wichtiges Mineral und Gesteinsart - Gebirge wie die Alpen, der Apennin und die Dinariden verdanken diesen Mg- haltigen Karbonatgestein ihre karge Schönheit. Die charakteristischen Steilwände einige der bekanntesten Gipfel werden von der Hauptdolomit-Formation gebildet - 1876 in die Alpenstratigraphie eingeführt. Es handelt sich um eine bis zu 1.000 m mächtige zyklische Abfolge von Dolomitgestein-bänken, die in Flachwasserbereich einer ausgedehnten Karbonatplattform der Tethys abgelagert wurden. 

Abb.1. Die Hauptdolomit-Formation am Hl. Kreuz Kofel (2.907m) im Gadertal zeigt die typische Bankung dieser bis zu 1.000m mächtigen Formation.

Es mag überraschen dass die Genese dieses Gesteins noch heute nicht völlig geklärt ist. Der italienische Bergbauingenieur Giovanni Arduino, einer der ersten Gelehrten der Dolomit chemisch untersuchte, vermutete in 1779 dass Dolomit durch die Umwandlung von normalen Kalkgestein durch heiße, vulkanische Lösungen entstanden war. Eine Hypothese die bis zum 19 Jahrhundert sehr beliebt war, da tatsächlich in den Dolomiten zahlreiche vulkanische Ablagerungen und Intrusionen zu finden sind - allerdings nicht immer in Kontakt mit Dolomitgestein. Eine ähnliche Arbeitshypothese vermutete eine Umwandlung durch Mg-gesättigtes Grundwasser - allerdings überrascht auch hier die schiere Masse die einige Dolomitformationen erreichen - schwierig ihre Genese rein durch sekundäre Umwandlungen zu erklären. 
Der amerikanische Geologe James Dwight Dana (1813-1895) bemerkte während eine Forschungsreise in den Südpazifik, dass Dolomit in trockengefallene Korallenstöcke gefunden werden konnte. Eine wichtige Beobachtung, die zeigte dass Dolomit unter normalen Temperaturen und aus Seewasser abgeschieden werden kann. 
Der russische Mikrobiologe Georgi A. Nadson veröffentlichte 1903* eine Studie, in der er eine weiteres wichtige Detail veröffentlichte. In einer Bakterienkultur beobachtete er in Salzwasser eine Ausfällung von primärem Dolomit. 

Abb.2. Lamination der Hauptdolomit-Formation.

Die Hauptdolomitformation wird nicht nur aus Meter-mächtigen Zyklen aufgebaut, sondern zeigt auch im Zentimeterbereich eine unregelmäßige Lamination. Vergleich mit modernen, ähnlichen Ablagerungsbereichen - z.B. die Karbonatplattform der Bahamas - lassen darauf schließen, dass es sich um fossile Bakterienmatten handelt. Diese Beobachtungen lassen vermuten, dass Bakterien, Algen und Mikroorganismen im Allgemeinen eine wichtige Rolle in der Bildung des Hauptdolomits spielten. Innerhalb der Bakterienmatten herrschen anscheinend Bedingungen, die die Bildung von Kristallen von Mg- haltigem Aragonit und Dolomit begünstigen. Die genauen chemischen und physikalischen Bedingungen die die Ausfällung von Dolomit ermöglichen sind allerdings noch unklar.

Die Hauptdolomit-Formation lagerte sich innerhalb 13 Millionen Jahre ab, mehr als 1.000 Meter an Dolomitschlamm. In modernen Ablagerungsräumen ist Dolomit trotz mikrobieller Aktivität auf einige wenige salzige Lagunen beschränkt. Trotz der oberflächlichen Ähnlichkeiten in den Ablagerungsräumen gibt es doch anscheinend entscheidende (mikrobielle - chemische?) Unterschiede - die Entstehung von großräumigen Dolomitablagerungen bleibt weiter rätselhaft**.

* Nadson, G. A. 1903 Microorganisms as geological agents (Russian). From
the Works of the investigation of the Slavian Mineral Waters. St.
Petersburg.


** Die Geologie der Dolomiten - allen voran die topographischen Höhen die durch die erosionsbeständigen Dolomit-Formationen gebildet wurde - spielte auch im I. Weltkrieg eine entscheidende Rolle. Der Lagazuoi besteht aus dem Cassianer - Dolomit.

14. Juni 2012

Die Entdeckung der Dolomiten

Diedonnè-Silvain-Guy-Tancrede de Gvalet de Dolomieu wurde am 23. Juni 1750 im französischen Dorf Dolomieu geboren. Aus einer noblen, wenn auch verarmten Familie stammend, widmete er standesgemäß der Diplomatie und der Naturerforschung. Mit 26 Jahren bereiste er halb Europa (anscheinend nicht ganz freiwillig, da er nach einem Duell mit tödlichem Ausgang aus Frankreich flüchten musste) und zeigte großes Interesse an den Bergwerken in der Bretagne, den Basalten in Portugal und der Erdbebenaktivität und den Vulkanismus in Süditalien. 1789 durchquerte er die Alpen mit seinem Schüler Kerl Fleuriau de Bellevue. In Tirol, zwischen den Städten von Bozen und Trient, bemerkte er ein weißes Karbonatgestein das jedoch, im Gegensatz zu klassischen Kalkstein, mit Säure nicht reagierte. Er veröffentlichte diese Beobachtung zwei Jahre später im "Journal of Physique". Nicolas de Saussure, Sohn des großen Alpinisten/Naturforschers Horace Bénédict de Saussure forderte daraufhin  von Dolomieu einige Proben an, um diese chemisch zu analysieren. De Saussure stellte fest, dass das Gestein aus einer Verbindung von Calcium, Kohlensäure und reichlich Magnesium bestand und es sich um ein neues, unbekanntes Mineral handeln musste. 1792 publizierte er seine Analysen in einem Artikel mit dem Titel "Analyse de la Dolomie". Das neue Mineral wurde daraufhin rasch als Dolomit bekannt, und der Name des Minerals wurde alsbald auf die weißen Gipfel der Dolomiten übertragen (übrigens der einzige Fall in dem das Mineral einer Gegend den Namen gab, und nicht umgekehrt). 

Abb.1. Leopold von Buch´s Karte "Esquisse d´une carte geologique de la parte meridionale du Trentino" (1822) zeigt die Verteilung von Karbonatgesteinen in Tirol - hellblau Kalkgestein, dunkelblau Dolomitgestein. Dolomieu sammelte die ersten Proben von Dolomit wahrscheinlich im Bereich des Brenners oder entlang der Etsch, nicht in den heutigen Dolomiten, die damals noch weit abseits der bekannten Reiserouten lagen.

Die Genese der Dolomiten war eines der großen geologischen Rätsel des 19 Jahrhunderts.  Fossilien ließen vermuten, dass die Gesteine die die Dolomiten bilden im Meer abgelagert wurden, allerdings war unklar warum einzelnen schroffen Gipfel und Klippen so prominent aus einer ansonsten recht  anmutigen Landschaft, mit ihren grünen Almen, herausstachen.

Am Ende des 18 und beginnenden 19 Jahrhunderts umsegelten die ersten wissenschaftlichen Expeditionen die Erde und erforschten die tropischen Meere, die Lebensformen die sich dort tummeln und die seltsamen geologischen Erscheinung die dort angetroffen werden können - wie Vulkaninsel, tropische Riffe, Atolle und die seltsamen Blumentiere.


Blumentiere oder Korallen waren schon länger bekannt - kurioserweise aus den kalten Gewässern des Nordatlantiks. In 1768 erbaten sich Fischer vom norwegischen Bischof von Trondheim, Johan Ernst Gunnerus (1718-1773), göttliche Hilfe gegen die Korallen, da diese immerzu die Fangnetze aufschlitzten. Leider half der bischöfliche Segen wenig, aber als die beschädigten Netze an Bord der Schiffe zurückgeholt wurden, kamen dabei einige Bruchstücke der Korallen zutage. Der an Naturkunde interessierte Gunnerus beschrieb die Entdeckung der Kaltwasserriffe und sandte auch einige Zeichnungen der Blumentiere an den Naturkundler Carl von Linné, der sie als Korallenart Lophelia pertusa identifizierte.

Der junge Naturforscher Georg Forster (1729-1798) erkundete den Pazifik zusammen mit seinem Vater im Zuge einer Erkundungsmission von James Cook. Er schlug vor, dass die Korallenriffe durch die Aktivität der Korallen vom Grund des Meeres bis zur Oberfläche wuchsen, oder - den engen Zusammenhang von Vulkanen und Atollen bemerkend - von vulkanischen Kräften in die Höhe gedrückt worden waren (Vulkane waren in jener Zeit zu praktisch allem fähig).

Im Jahre 1842 veröffentlichte Charles Darwin ein Buch über die Korallenriffe des Pazifiks (die er während der Reise auf der "Beagle" besucht hatte), in dem er eine Arbeitshypothese zu ihrer Genese und eine vorläufige Klassifikation vorschlug. Darwin erkannte richtigerweise, das die Korallentiere, die in selbst gebauten Kalkgehäuse leben, auf die obersten Meter des Meeres beschränkt waren (Korallenpolypen leben in Symbiose mit einzelligen, photoautotrophe Algen) - es war daher nicht möglich dass hunderte Meter mächtige Korallenstöcke vom Grund des Meeres hinauf gewachsen waren. Darwin kehrte das Problem um, vulkanische (was sonst?) Bergrücken sanken langsam in die Tiefe, während die Korallen das Absinken durch ihr konstantes Wachstum abglichen. Dabei entstand im Laufe geologischer Zeiträume ein mächtiger Korallenstock, der weit über sein Umgebung hinausragte. 
Es war dieser Vorschlag  Darwins die den österreichischen Geologen Baron Ferdinand F. von Richthofen (1833-1905) auf die Idee brachten, dass in den Dolomiten genau eine solche Landschaft über geologische Zeiträume und Hebungen hinweg erhalten geblieben war. Die Gipfel der Dolomiten waren Kalkgestein, das durch die Aktivität der Korallen gebildet worden war. Zwischen den früheren Atollen lagen große Ozeanbecken, in denen sich Ton, Schlamm und Ascheschichten von sporadischen Vulkanausbrüchen ablagerten. Der Kontakt zwischen dem Riff und den Beckensedimenten bestand aus einer Verzahnung von Riffschutt mit den feinen Beckensedimenten. 

Abb.2. & 3. Das so genannte "Richthofen-Riff" (Trias) in den Südtiroler Dolomiten zeigt die Schuttzungen von den Abhängen des ehemalige Riffkerns die mit braunen Sand- und Tonsteinen des ehemaligen Ozeanbecken verzahnen - darunter Zeichnung des Aufschluss von MOJSISOVICS 1879.

Richthofen, und vor allem der Geologe Edmund Mojsisovics von Mojsvar (1833-1905), konnten so auch rätselhafte, riesige Blöcke, die in den Ton- und Sandsteinen der Wengen- und St. Kassian-Fm. gefunden wurden, einleuchtend erklären. Es handelte sich um Blöcke die von den Abhängen des Riffs in die Becken gestürzt waren, und dort einsedimentierten. 

Abb.4. Massive Kalksteinblöcke die in den geschichteten Sand- und Tonsteinen der Wengen-Fm. eingebettet sind.

Literatur:
 
DARWIN, C. (1898): The Structure and Distribution of Coral Reefs. 3th edition, D. Appleton & Co., New York: 214

DOBBS, D. (2005) Reef Madness: Charles Darwin, Alexander Agassiz and the meaning of coral. Pantheon Books: New York
FISCHER, A.G. & GARRISON, R.E. (2009): The role of the Mediterranean region in the development of sedimentary geology: a historical overview. Sedimentology 56: 3-41

MOJSISOVIC, E.v. (1879): Die Dolomit-Riffe von Südtirol und Venetien: Beiträge zur Bildungsgeschichte der Alpen. Alfred Hölder, Vienna: 551

SCHLAGER, W. & KEIM, L. (2009): Carbonate platforms in the Dolomites area of the Southern Alps - historic perspectives on progress in sedimentology. Sedimentology 56: 191-204

 

28. Mai 2012

Etwas Eis und reichlich Fisch

Zusammenfassung des ursprünglichen Artikels von Scientific American
"The discovery of the ruins of ice: The birth of glacier research"

Louis Rodolphe Agassiz wurde am 28. Mai 1807 geboren und ist heute vor allem als (Fische-) Paläontologe und Eiszeit-Advokat bekannt. 
Wie so oft in der Geschichte großer geologischer Ideen, war Agassiz nicht der Erste der Vorschlug, dass in der geologischen Vergangenheit Gletscher große Teile der damals bewohnten Welt (sprich Nordamerika und Europa) bedeckt hatten. Der Dänische Mineraloge und Bergsteiger Jens Esmark (1763-1839) publizierte bereits im Jahre 1826 einen Artikel, in dem er eine größere Ausdehnung der rezenten Gletscher vorschlug. Der schottische Geologe James Hutton (1763-1797) und sein guter Freund John Playfair (1748-1819) spekulierten über eine großflächige Vereisung  der nördlichen Hemisphere - tatsächlich wurden in der Universität Edinburgh diese glazialen Theorien sogar währen den Vorlesungen für Studenten diskutiert. 
Allerdings ist es tatsächlich Agassiz (und seinen guten Ruf in der damaligen Gelehrtenwelt) zu verdanken, dass die Eiszeittheorie nach einem Vortrag im Jahre 1834, und Publikation in 1840, rasch an Bedeutung und Akzeptanz gewann. Allerdings nicht ohne kleinere Rückschläge, in einem Brief an Agassiz schreibt Alexander von Humboldt am 2. Dezember 1837:

"Ich fürchte, Sie arbeiten zu viel, und (soll ich so offen sein ?) ich denke Sie breiten Ihren Intellekt über zu viele Subjekte gleichzeitig aus. Ich schlage vor, sie konzentrieren sich auf ihr großartiges Werk über fossile Fische…[]… Kein Eis mehr, nicht zuviel Stachelhäuter, und reichlich Fisch…"

Abb.1. Das Zeitalter des Diluviums, oder Eiszeit, Abbildung aus UNGER, F. (1851): Ideal Views of the Primitive World, in its Geological and Palaeontological Phases. Taylor and Francis, London

18. Mai 2012

Der Ausbruch des St. Helens

  Zusammenfassung des ursprünglichen Artikels von Scientific American
"May 18, 1980: The eruption of Mount St. Helens"

Am frühen Morgen des 18. Mai 1980 brach der Vulkan St. Helens im amerikanischen Bundesstaat Washington mit einer Wucht aus, die die Erwartungen der Geologen weit übertraf. Ein gewaltiger Erdrutsch an der nördlichen Flanke legte die Magmakammer frei, es kam zunächst zu Dampfexplosionen und dann zu einem gewaltigen pyroklastischen Strom, der über 600 Quadratkilometer Wald niederwalzte.

Die vulkanische Natur des St. Helens war seit 1835 bekannt, als eine kleinere Eruption beobachtet wurde. Allerdings existieren viel ältere indianische Legenden, die den St. Helens als "Feuerberg" beschreiben und berichten, dass er entstand, als sich zwei mächtige Krieger eine Schlacht aus Feuer und Asche lieferten.
St. Helens und andere Vulkane des Cascade Range wurden daher als aktiv erkannt, aber nicht als sonderlich gefährlich eingestuft, da es seit der europäischen Besiedelung nie zu wirklich starken oder gefährlichen Eruptionen gekommen war. Die Untersuchung  der vulkanischen Ablagerungen ließen allerdings gewaltige Ausbrüche erkennen, gekennzeichnet durch Schlammlawinen, pyroklastischen Strömen und Aschewolken.

57 Personen verloren am 18. Mai ihr Leben, darunter auch der Geologe David Johnston, der von seiner Beobachtungsstation als erster die Eruption ankündigte - über Radio funkte er noch "Vancouver, Vancouver, this is it!

12. Mai 2012

Heißer als die Hölle: Vulkanische Glutströme

  Zusammenfassung des ursprünglichen Artikels von Scientific American
"Geology Scene Investigation: Death by Volcanic Fire"

Am 8. Mai 1902 brach der "erloschene" Vulkan Pelèe auf der Karibikinsel Martinique aus. Von über 30.000 Einwohnern der nahen Stadt Saint-Pierre überlebten nur drei. Darunter ein kleines Mädchen, das in einer Höhle nahe am Strand Schutz gefunden hatte, und nach seiner Rettung einen erstaunlichen Augenzeugenbericht ablieferte:

"Bevor ich [an der Höhle] ankam, schaute ich zurück und die ganze Flanke des Berges, die zur Stadt zeigte, schien sich zu öffnen und eine kochende Masse ergoss sich über die schreienden Menschen. Ich wurde von Steinen und der Asche die auf mein Boot fielen verbrannt, aber schließlich schaffte ich es in die Höhle..."

Die ersten Forscher die einige Wochen später die Ruinen der Stadt untersuchten waren überrascht vom Ausmaß der Zerstörung. Beinahe jedes Haus war bis auf die Grundmauern verschwunden, die Körper der Toten waren teilweise schrecklich entstellt, mit den Gedärmen aus den Körpern gedrückt, Bei anderen verbrannten Leichen dagegen waren teilweise die Kleider noch intakt. Die Suche nach Ablagerungen eines Lavastroms, die vermutete Hauptursache der Zerstörung, blieb erfolglos. In den Ruinen fand man allerdings geschmolzene Gegenstände aus Glas (Schmelztemperatur ungefähr 700°C) - Kupferleitungen und Telegraphendrähte waren dagegen intakt geblieben (Schmelztemperatur von Kupfer ist ungefähr 1.100 C), daraus schloss man das was auch immer geschehen war, die Temperaturen in der zerstörten Stadt um die 700-1000°C gelegen hatten (*). Am 9 Juli desselben Jahres beobachteten zwei Geologen, die von den Ruinen von St. Pierre aus in See gestochen waren, eine bis dahin unbekannte vulkanische Eruptionsphase des Mount Pelée:

"Die Wolke hatte eine runde Form und erinnerte an eine Masse von Protuberanzen, die sich mit schrecklicher Geschwindigkeit und Energie ausdehnten. Sie reichte bis zur See und bewegte sich in unserer Richtung, kochend und mit jedem Augenblick sich verändernd in Form. Sie breitete sich nicht seitlich aus, oder stieg hoch in die Atmosphäre auf, aber bewegte sich auf die See als eine turbulente Masse…"

Die unheimliche Wolke erreichte nicht das Boot, sondern stieg im letzten Moment auf, schwebte über das Boot und löste sich dann langsam auf. Allerdings fielen Steine und Asche auf die beiden erschrockenen Männer - es handelte sich also nicht um eine gewöhnliche Wolke aus Gas und Dampf, sondern um ein Strom aus festen Partikel, der der Schwerkraft folgend an den Hängen des Vulkans zunächst an Geschwindigkeit gewann, und sich danach auf ebene oder flach geneigte Flächen ausbreitete - ähnlich wie eine Lawine. Diese Beobachtung erklärte was mit St. Pierre geschehen war. Vom Gipfel des Vulkans Pelèe hatte sich eine solche Lawinen aus heißen Gasen, Gesteinsfragmente und Asche gelöst. Die Masse folgte zunächst einem Tal, das genau in Richtung Pierre zeigte, überwand eine kleine Anhöhe vor der Stadt und fegte mit verheerender Gewalt über die Stadt hinweg - bis weit in die See hinaus, wo geankerte Schiffe in Brand gesetzt worden waren.


Es war der französische Geologe Alfred Lacroix (1863-1948) der dieses Phänomen genauer untersuchte, dokumentierte und schließlich auch eine Namen dafür vorschlug - "nueé ardente" bzw. Glutlawine.
Lacroix vermutet allerdings, dass die Schwerkraft allein nicht ausreichte um die Wucht der Glutlawine zu erklären. Er schlug vor, dass ein Stöpsel aus zähflüssiger Lava den Krater des Vulkans so lange verstopft hatte, bis der zunehmende Druck eine seitliche Schwachstelle gesprengt hatte - und so einen tödlichen Fluss in Richtung St. Pierre geschleudert hatte.

Abb.1. Original-Photographien von Glutströmen des Mount Pelée, aufgenommen im Dezember 1902, von LACROIX, A. (1904) : La Montagne Pelée et ses éruptions. Masson et Cie, Paris.

Glutlawinen, oder pyroklastische Ströme, sind besondere Eruptionsphänomene die eng an den Chemismus der Lava und den Vulkantyp gebunden sind. Saure Vulkangesteine sind zäh genug um Vulkanschlote zu verstopfen bzw. Vulkandome oder Kuppen zu bilden, die bei Sprengung oder Kollaps zu einer Gerölllawine führen können. Die Geröllmasse folgt der Schwerkraft - allerdings herrschen in einem Partikelstrom andere physikalische Bedingungen als z.B. in einer Flüssigkeit - die Ausbreitungsart von Gerölllawinen ist daher noch nicht vollständig verstanden. Teilweise erfolgt die Bewegung auf einem Kissen aus Luft oder Wasserdampf (vor allem wenn der heiße pyroklastische Strom das Meer erreicht), ein Großteil der Bewegung wird allerdings auch durch das Gegenseitige Anstoßen der Trümmer und Partikel untereinander erzeugt - es ist sogar möglich das erzeugte Infraschall-Wellen in der Lage sind die Trümmer zu "tragen".
Wie auch immer, im Gegensatz zu einer Flüssigkeit sind solche Trümmerströme in der Lage auch Steigungen zu erklimmen.
Der Vulkan hatte schon Wochen vor seinem Ausbruch eine verstärkte Aktivität mit Erdbeben und Ascherregen gezeigt. De Einwohner von St. Pierre fühlten sich aber sicher, da zwischen Ihnen und dem Vulkan ein Bergrücken lag. Ein Lavastrom oder Schlammstrom hätte auch tatsächlich umgelenkt werden können, die Glutlawine allerdings überwand das Hindernis ohne größere Probleme.

Nachdem die physikalischen Ursachen der Katastrophe mehr oder weniger klar waren, stellte sich die Frage wie Glutlawinen ihre Opfer töten, auch um zu verstehen ob man sich in Zukunft vor einem solchen Phänomen schützen könnte. Eine Andere, viel ältere, aber ähnliche Katastrophe, konnte einige Antworten auf diese Frage geben. 1748 wurden die ersten Reste von Leichnamen in den verschütteten Ruinen der römischen Stadt von Pompeji entdeckt. In Pompeji können zwei Arten von Ablagerungen unterschieden werden: mächtige feinkörnige Ascheschichten und dünne, klastenreiche Ablagerungen von Glutströmen.

Abb.2. Ablagerungen eines pyroklastischen Stromes - in diesem Fall aus den Südalpen und mit permischen Alter. Charakteristisch sind die großen Schwankungen in der Korngröße (mit feinkörniger Matrix), die vulkanische Petrographie der Klasten und der thermische Reaktionssaum der größeren Klasten, verursacht durch die hohen Temperaturen innerhalb der Glutlawine.

 In der Stadt wurden über 300 Skelette oder Abdrücke von Leichen in den Ascheschichten entdeckt, die Menschen erstickten anscheinend oder wurden von den Gebäuden, die unter der Last der Asche zusammenbrachen, erschlagen. 650 Leichen wurden in unmittelbarer Nähe der Ablagerungen der pyroklastischen Ströme gefunden - vermutlich starben sie daher an den Effekten von eben diesen. Dort wo die vulkanischen Ablagerungen direkt die Knochen umschließen, war die Hitze anscheinend so hoch (um die 600°C), dass das Fleisch der Menschen einfach verdampfte. In Bereichen des Glutstromes mit geringeren Temperaturen blieben die Körper erhalten. Die berühmten Gipsabgüsse der Hohlräume, die übrig bleiben, nachdem die eingeschlossenen Körper zerfallen sind, zeigen Menschen die mitten in der Bewegung "erstarrten".  Die "geringere" Hitze des Glutstromes in diesen Bereichen (300-250°C) verursachte augenblickliche Krämpfe und die Lungen füllten sich mit heißer Asche und Gase - die Opfer "verkochten".
Diese Beobachtungen lassen vermuten, dass die Temperaturen, gefolgt von der Bewegungsenergie und Asche/giftige Gase, die tödlichsten Eigenschaften eines pyrpoklastischen Stromes sind -  noch bis zu 10 km entfernt vom Gipfel des Vesuv waren die Temperaturen noch tödlich.

Auch die Opfer von St. Pierre wurden anscheinend durch zwei Eigenschaften des Glutstroms getötet - die schiere Wucht der bis zu 160km/h schnellen Masse tötete die Glücklichen auf der Stelle. Die gewaltige Hitze verbrannte die anderen bei lebendigem Leibe. Menschen die sich in Bereichen mit hohen Temperaturen aufhielten, zerplatzten regelrecht. Andere inhalierten die "kühleren" Gase und wurden lebendig von Innen nach außen gekocht, wobei die Kleider intakt blieben.

(*) In der Offenbarung des Johannes wird die Hölle als schrecklicher Ort, gefüllt mit geschmolzenem Schwefel, beschrieben. Schwefel verdampft bei 450°C – die meisten vulkanischen Phänomene spielen sich bei noch viel höheren Temperaturen ab.

29. April 2012

Geologische Schatzkammer Tauernfenster: Das Kupfer von Prettau

Vor langer, langer Zeit trieb ein Bauer einen Stier, den er auf dem Markt gekauft hatte, über den Alpenhauptkamm vom Zillertal zum Ahrntal. Der Bauer hatte seine liebe Not mit dem bösartigen Tier, kaum hatte er es mit dem Stock gebändigt, riss es sich los und stürmte vom Weg. Der Bauer folgte dem Tier, das in seiner Wut ein großes Loch mit seinen Hörnern in den Boden gegraben hatte. Dem Bauer fielen einige Brocken des Gesteins, und vor allem sein goldenen Glanz auf. Ein örtlicher Schmied, dem er einige Brocken davon zeigte, bestätigte ihm, das es sich zwar nicht um Gold (wie im Zillertal gefunden), aber doch um ein wertvolles Gut handelte: Kupfererz.

So, oder so ähnlich, wurde einer alten Sage nach die Kupfererzlagerstätte von Prettau (Ahrntal) einst entdeckt - eine Lagerstätte die im Mittelalter für ihr reines Kupfer weit über die Landesgrenzen von Tirol hinaus bekannt war. Moderne Forschung lässt eher vermuten, dass bereits in prähistorischen Zeiten, zur  Bronzezeit, Kupfererz an den oberflächlichen Ausbissen der Erzgänge gesammelt wurde. Historisch belegen lassen sich eine mittelalterliche Abbautätigkeit - das Kupfer von Prettau wurde 1426 dazu benutzt, so die erhaltenen Dokumente, um zwei Bronze-Kanonen zu gießen.

Fig.1. Ausbiss von vererztem Grüngestein auf un gefähr 2.000m Seehöhe, wahrscheinlich seit prähistorischer Zeit bekannte Fundstelle für Erzgestein. Die rechteckige Grube im Felsen sind die Reste einer mittelalterlichen Probegrabung.

Fig.2. Detail vom Aufschluss mit Anzeichen von Eisenverwitterung, Hinweiß auf den Reichtum der im Gestein verborgen ist.

Die Erzlagerstätte von Prettau ist an metamorphen "Grüngestein"* gebunden, die als linsenförmige Körper in den Kalkschiefern der Bündner Schiefer (eine tektonische Decke des Tauernfensters) auftreten (*es handelt sich genau genommen um Epidot-führende Prasinite und Amphibolite mit Cu-Fe-Sulfid Vererzungen). Die geologische Interpretation geht davon aus, dass es sich um die umgewandelten Reste von magmatische Intrusionen in den ehemaligen kalkigen Sedimenten des Ozeanbodens handelt. 

 Fig.3. Verfaltete Kalkschiefer des Bündnerschiefer-Komplexes.

In der abbauwürdigen Lagerstätte ist gediegenes Kupfer sehr selten, meistes handelt es sich um diffus verteilte, schicht- oder gangförmig auftretende  Kupfer/Eisensulfide - wie Chalkopyrit, Chalkosin, Sphalerit, Pyrit - die zusammen mit Oxide/Hydroxide - wie Hämatit und Magnetit - auftreten. Die Entstehung dieser Lagerstätte ist nicht restlos erklärt, entweder handelt es sich um die fossilen Reste von hydrothermalen Feldern (dies könnte die schichtförmige Verteilung es Erzes erklären) oder  um eine sekundäre Mineralgenese, die durch zirkulierende Fluide in den Gesteinen abgelagert wurde.

Fig.4. Der 500 Meter lange St. Christoph Stollen (auf 514m Seehöhe) wurde 1585 begonnen und erreichte 18 Jahre später das Erz - die oberflächlichen Erzlager waren in dieser Zeit längst erschöpft und man folgte dem linsenförmigen Erzkörper tief hinein in den Berg. 
Der geschrämte, also mit Werkzeugen vorgetriebene Stollen erschloss die ergiebigsten Erzlägerstätten des Bergwerkes. Im Jahre 1637 wurde im diesem Stollen die Schießtechnik, die Sprengung mit Schwarzpulver eingeführt, eine Technologie die im Bergbau revolutionäre Veränderungen bringen sollte.Typisch für das Bergbaugebiet sind auch die Quellen und Grubenwässer, die mit Mineralien übersättigt sind und aus denen rostrote Eisen- und grünliche Kupfermineralablagerungen ausgefällt werden.

Mit der Entdeckung und Ausbeutung der großen Kupferlagerstätten in Südamerika im 19. und 20. Jahrhunderts verlor das Bergwerk von Prettau rasch an Bedeutung - Prettau konnte nicht mit dem billigen Kupfer aus den großen Tagebauen in Amerika mithalten.
Die letzten größeren Investitionen in die Infrastruktur wurden 1880 getätigt, mit dem Bau einer Schmelzhütte und den Abbau von Pyrit für die Schwefelgewinnung, allerdings verzögerten diese  Bestrebungen die Schließung des Bergwerkes nur um einige Jahre. Die Prettauer Grube wurde schließlich 1893 geschlossen. In den Jahren 1957 bis 1971 wurde nochmals versucht mit Pyritabbau und einer kleinen Belegschaft den Minenbetrieb wieder aufzunehmen.  1970 wurden die Umweltauflagen verschärft - die ungeklärten Minenabwässer sollten aufbereitet werde  - und die Betreiberfirma schloss das Bergwerk um 1971.
Nach 500 Jahren aktiver Bergbautätigkeit wurde der Bergbau in den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts aufgegeben. 
Das Schürfrecht wurde 1982 noch einmal an eine Privatperson vergeben, die Hobbymäßig geringere Kupfermengen gewann - interessanterweise mittels der so genannten Kupferzementanlage. Das Grundwasser des Bergwerks ist durch mikrobielle Tätigkeit an Kupferionen übersättigt, durch Einlegen weniger edler Metalle (z.B. Eisen) scheidet sich  elementares Kupfer in Form von Kupferschlamm ab. Die so gewonnen Mengen waren, und sind, allerdings sehr bescheiden. In den 80 Jahren wurde die Gründung eines Museum zur Bergbaugeschichte in Erwägung gezogen, 1996 war es schließlich soweit, mit der Eröffnung des "Schaubergwerk Prettau" und der Herrichtung der erhaltenen Anlagen als Schaustollen und Lehrpfade.

14. April 2012

Der Titanic-Eisberg

 Zusammenfassung des ursprünglichen Artikels von Scientific American
"The Science behind the Iceberg that sank the Titanic"

In der Nacht vom 14. zum 15. April 1912 kollidierte eines der modernsten und größten Schiffe seiner Zeit im nördlichen Atlantik mit einem mittelgroßen Eisberg. Ein direkter Aufprall wurde durch ein Ausweichmanöver verhindert, allerdings wurde der Bug der "Titanic" auf einer Länge von 90m beschädigt und die vernieteten Stahlplatten platzten abschnittsweise auseinander - Wasser dringt ein und zieht langsam aber unerbittlich den Bug unter die Wasserlinie, das Schiff ist verloren.



Das Schicksal der Titanic hat zahllose Bücher und Filme inspiriert, die Geschichte des zweiten großen Darstellers, des Eisbergs, ist heute aber fast vergessen. 

Abb.1. Eisberg und Eisfeld, fotografiert von Bord der "Carpathia", das erste Schiff das die Unglückstelle am Morgen des 15. April erreichte, aus dem Buch "Sinking of the Titanic - The World´s Greatest Sea Disasters" (1912).Es gibt zahlreiche Berichte von Überlebenden - sogar die des Ausgucks der ihn als erster sichtete - die den Eisberg der Titanic beschreiben, und noch mehr Photographien die später von Schiffen aus aufgenommen wurden. Allerdings gibt es keinen eindeutigen Beweiße das unter den gesichteten Eisberge tatsächlich der "schuldige" Berg gefunden wurde.

Eisberge im Nordatlantik stammen vorwiegend von den kalbenden Gletschern an der Westküste von Grönland. Meeresströmungen treiben diese dann mit einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von 0,7 Stundenkilometer zunächst nach Norden bis zur Kanadischen Küste. Hier geht die West-Grönland Meeresströmung in den Labradorstrom über, der nach Süden hin "fließt" - und mit ihm auch zehntausende von kleinen und großen Eisbergen. Vor der Küste Neufundlands treffen die kalten Meeresströmungen auf den warmen Golfstrom. Nur noch wenige Eisberge überdauern bis zu diesem Punkt die 5.000 Kilometer lange Reise, aber genau hier kreuzen sie die viel befahrene Nordatlantikroute. Es wurde spekuliert ob 1912 die Anzahl von größeren Eisbergen in diesem Gebiet ungewöhnlich war. Zahlreiche telegraphische Meldungen wurden seinerzeit an die Titanic gesendet, zumeist von Schiffen die Eisberge gesichtet hatten oder in der Nacht auf eine Weiterfahrt verzichteten und vor Eisfeldern stoppten. Die Anzahl der Meldungen scheint außergewöhnlich hoch zu sein, allerdings gibt es keine offiziellen Zahlen, da vor 1912 Eisberge nicht überwacht wurden. Erst nach der Katastrophe wurden zunächst Frachter, später Kriegschiffe, auf Patrouille im Nordatlantik geschickt.
Das vermehrte Auftreten von Eisbergen wurde durch Temperaturschwankungen im Nordatlantik erklärt: nach einer Arbeitshypothese verstärkten milden Temperaturen in den Jahren 1900 bis 1910 die Aktivität der Gletscher in Grönland, mehr Eisberge wurden daher auf "die Reise geschickt". Eine alternative Hypothese schlägt vor, dass die kalten Wassertemperaturen seit 1910 ein Vorstoßen der Eisberge nach Süden hin begünstigte. Beide Hypothesen sind schwierig zu überprüfen, da es keine genauen Daten zur Anzahl der Eisberge bis 1912 gibt. Es scheint eine schwache Korrelation im 20 Jahrhunderts zwischen der Temperatur des Atlantiks und die Anzahl gesichteter Eisberge auf den 48. Breitengrad zu geben, allerdings sind die Schwankungen beträchtlich und vermutlich gab es bevor und nach der Titanic starken Eisgang; 1912 war daher wahrscheinlich kein besonderes Jahr und die Kollision, wie so oft, ein Unglück.