7. September 2012

Der Bergsturz von Goldau

"und wer hingegen mit eigensten Augen den grauenvollen Schauplatz durchwandelt hat, der wird jede Schilderung zu schwach, und weit unter ihrer Wirklichkeit finden wollen. Um wahre Begriffe von der Wirkung dieses Natur und Menschen tödten Sturzes zu erhalten, und [] beurteilen zu können, muss wahrlich die Unglücksstätte selbst betreten, und dann noch mit streng beobachtenden Blick durchforscht werden."
Karl Zay "Schuttbuch" (1807)

Der Bergsturz von Goldau ereignete sich am 2. September 1806, vom 1.574m hohen Rossberg löste sich eine bis zu 70m mächtige Scholle, die das Dorf Goldau unter sich begrub und im Lauerzersee eine Flutwelle auslöste, die weitere Menschen tötete. Die genaue Anzahl der Opfer ist unbekannt, gemäß historischen Quellen geht man heutzutage von über 450 Opfern aus.

   
Abb.1. Landschaftsbild des Malers Xaver Triner (1767-1824)  mit der Abbruchnische am Rossberg und das verschüttete Goldau.

Der Bergsturz von Goldau ist für die Geschichte der Geologie dahingegen interessant, als dass es sich um einen der ersten Bergstürze handelt, der "naturwissenschaftlich" untersucht wurde. Der örtliche Arzt Karl Zay beobachtete den Bergsturz, sammelte nach der Katastrophe Augenzeugenberichte und veröffentlichte sie in dem Werk "Goldau und seine Gegend, wie sie war und wie sie geworden, in Zeichnungen und Beschreibungen" (1807, diese Werk wird oft auch als "Schuttbuch" bezeichnet). Durch diese Werk und Zeitungsberichte wurde der Bergsturz weit über die Landesgrenzen der Schweiz hinaus bekannt und zahlreiche Geologen besuchten die Gegend.
Bergstürze - Massenbewegungen mit einem Volumen über 1 Million Kubikmeter - wurden lange Zeit als göttliche Bestrafung angesehen. Nachdem ein Bergsturz im Jahre 1618 das Schweizer Dorf Plurs verschüttet hatte, kamen Gerüchte im Umlauf die die Bewohner von Plurs als korrupt darstellten und das Dorf als "ein irdisches Paradies von Laster gekennzeichnet" nennen. Alternativ wurde vorgeschlagen das vulkanische Aktivität oder Erdbeben einen Bergsturz auslösen könnten. Erst um 1834 entwickelte der Gelehrte Karl Ernst Adolf von Hoff eine Arbeitshypothese, die Bergstürze als Ergebnisse von vorbereitenden Faktoren (z.B. tektonischer Struktur, Schichtengefüge) und auslösender Faktoren (Wasserinfiltration in Klüften) behandelte.

 
Abb.2. Längsprofil des Goldauer Bergsturzes nach Heim, A. "Über Bergstürze" (1882).

Literatur:

BOLLINGER, D. (2006): Der Bergsturz von Goldau: Rückblick und Ausblick. Bull. angew. geol. Vol. 11(2): 3-12
BUSSMANN, F. & ANSELMETTI, F.S. (2010): Rossberg landslide history and flood chronology as recorded in Lake Lauerz sediments (Central Switzerland). Swiss J. Geosci. 103: 43-59
EVANS, S.G. & DeGRAFF, J.V. (2002): Catastrophic Landslides: Effects, Occurrence, and Mechanisms. Reviews in Engineering Geology Vol. XV, The Geological Society of America: 411
FLÜELER, E. (2011): Berge entstehen - Berge vergehen: Wanderungen zu Bergstürzen entlang der Alpen. Ott Verlag: 208
HÖFLER, H. & WITT, G. (2010): Katastrophen am Berg – Tragödien der Alpingeschichte. Bruckmann Verlag: 144
THURO, K., BERNER, C. & EBERHARDT, E. (2005): Der Bergsturz von Goldau 1806 – Versagensmechanismen in wechsellagernden Konglomeraten und Mergeln. In: Moser, M. (ed): Veröffentlichungen von der 15. Tagung Ingenieurgeologie, 6-9. April 2005, Erlangen: 303-308
THURO, K. & HATEM, M. (2010): The 1806 Goldau landslide event – analysis of a large rock slide. Williams (ed.): Geologically Active. Taylor & Francis, London: 3693-3700