9. Dezember 2013

Das Geheimnis der Geißberger

"Noch starrt das Land von fremden Zentnermassen;
Wer gibt Erklärung solcher Schleudermacht?
Der Philosoph, er weiß es nicht zu fassen,
Da liegt der Fels, man muß ihn liegen lassen,
Zuschanden haben wir uns schon gedacht. –
Das treu-gemeine Volk allein begreift
Und läßt sich im Begriff nicht stören;
Ihm ist die Weisheit längst gereift:
Ein Wunder ist's, der Satan kommt zu Ehren.
"
Mephistopheles in Goethes "Faust - Der Tragödie zweiter Teil" (1832)

In weiten Teilen Europas und Nordamerikas können einzelne, große Blöcke gefunden werden, deren Gesteinsart sich stark von der Umgebung unterscheidet wie z.B. Granitblöcke die auf Sedimentgestein aufliegen. 
Mythen und Legenden ranken sich um diese seltsamen verirrten Blöcke.  Einst – so eine der unzähligen Geschichten - versprach ein habgieriger Bauer dem Teufel seine Seele, falls der es schaffe in nur eine Nacht eine Mauer um seine Ländereien zu errichten. Der Leibhaftige machte sich flugs an die Arbeit, und schon bald wurde dem Bauer Angst und Bange und er bereute seine törichte Wette. Er rannte zum hiesigen Pfarrer, der zum Glück guten Rat wusste. Gerade als der Teufel den letzten Felsblock heranflog und am Horizont bereits die Morgenröte heranbrach, läutete er die Kirchenglocke und dem Teufel entglitt vor lauter Schrecken der Felsblock, der vom Himmel stürzte - und da liegt er noch heute.
In Skandinavien wurden die Findlinge als “Wurfsteine der Riesen“ bezeichnet. Um Grenzstreitigkeiten aus dem Weg zu räumen bewarfen sich die Trolle (die laut norwegischen Legenden schon mal haushoch wurden) schon mal mit Felsbrocken oder bauten (Moränen-)Wälle um sich zu schützen.


Tatsächlich rätselten auch angesehene Naturforscher lange Zeit was es mit den erratischen Blöcken denn nun auf sich hatte. Die frühesten Beschreibungen von Findlingen stammen vom Historiker Karl Nicolaus Lange (1670-1741) und dem Mediziner Lars Roberg (1664-1742), die sich allerdings darauf beschränkten die Blöcke als seltsame Sehenswürdigkeiten in ihren Reiseerzählungen zu erwähnen.

Die Schweizer Mediziner und Naturforscher Louis Bourget (1678-1740) und Moritz Anton Cappeler (1685-1769, der auch ein viel beachtetes mineralogisches Werk publizierte) ließen die Steine einfach vom Himmel fallen*. Der Geologe JeanAndré Deluc (1727-1817, der auch den Begriff Geologie in den allgemeinen Gebrauch als Wissenschaft der Erde einführte) und der Ingenieur Johann Esaias Silberschlag (1721-1791) vermuteten das heftige unterirdische Gaseruptionen die Blöcke durch die Luft schleudern konnten. Der Französische Naturforscher Dolomieu (1750-1801) erklärte die Verteilung der Blöcke als Reste einer erodierten Gesteinsfläche.
Der Schweizer Naturforscher Gottlob Sigmund Gruner (1717-1778) publizierte zwischen 1760 und 1762 sein Werk „Die Eisgebirge des Schweizerlandes“ wo er richtigerweise den Herkunftsort der rätselhaften Felsblöcke, die überall in den Alpenvorland gefunden wurden, in den Alpen selbst vermutete (er bezeichnet die Blöcke als  Geißberger, da sie aus den Geißbergen stammen). 
Der Schweizer Naturforscher Horace Benedict de Saussure (1740-1799) formulierte daraufhin eine der überzeugendsten Erklärungen – eine gewaltige Flut, vielleicht auch die biblischen Flut –hatte die Blöcke aus den Bergen mitgerissen und sie auf den flachen Ebenen abgelagert. Diese Hypothese passte zu den Beobachtungen von zeitgenössischen Überflutungen die durch Ausbrüche von Gletscherseen große Schäden in den Alpentälern verursachten. Im Winter 1817/18 brach ein 2 Kilometer langer und 60 Meter tiefer Stausee aus, der durch einen Eisfächer des Giétroz-Gletscher aufgestaut worden war. Im Sommer 1818 brach der Fluss Dranse abermals durch den natürlichen Damm und noch im 44 Kilometer entfernten Rhonetal fand man große Granitblöcke die die Flut mitgerissen hatte. 

Abb.2. Der Naturforscher Escher von der Linth (1767-1823) zeichnet im Jahre 1818 den natürlichen Eis-Staudamm der die Dranse aufstaute als Beispiel dafür wie plötzliche und heftige Sturzluten im Gebirge entstehen können.

Der große Geologe Leopold von Buch (1774-1853) war einer der wichtigsten Anhänger dieser „Fluthypothese“ und blieb es auch bis zu seinem Lebensende. Die  weite Verbreitung der Findlinge erklärte er durch den Ausbruch großer Seebecken in den Alpen, die Flut beförderte Blöcke ins Alpenvorland. Die Verbreitung bestimmter Gesteinsarten erklärte er durch Strömungsänderungen in der schlammigen Flut (heute werden die verschiedenen Herkunftsorte der Findlinge benutzt um Einzugsgebiete und Ausdehnung der ehemaligen Gletscher zu rekonstruieren). 
Um 1830 kam eine abgeänderte Version der Fluthypothese auf – da klar wurde das besonders große Findlinge auch von einer noch so gewaltigen Flut nicht bewegt werden konnten und sich auch die Hinweise auf ehemalige Klimaveränderungen häuften, nahm man an das die Blöcke in Eisbergen eingefroren waren. Stieg das Wasser, schwammen die Eisberge obenauf, sobald sie schmolzen lagerten sich die Blöcke ab.
Abb.3. aus Bristow, H.G. (1872): The world before the deluge zeigt eine der gängigen Hypothesen um die erratischen Blöcke zu erklären. Nachdem klar wurde dass auch Flutwellen schwerlich in der Lage sind besonders große Findlinge zu transportieren, wurde als Alternative die Eisdrifthypothese formuliert - Eis um die Blöcke würde es dem Wasser wesentlich erleichtern die schweren Steine zu transportieren.

*(die Lenape- oder Delaware-Indianer vom Gebiet der großen Seen in Nordamerika kennen Findlinge als "pamachapuka" - die Steine vom Himmel)

Literatur:


SEIBOLD, E. & SEIBOLD, I. (2003): Erratische Blöcke-erratische Folgerungen: ein unbekannter Brief von Leopold von Buch von 1818. Int. J. Earth Sci. (Geol. Rundschau) 97: 426-439

12. Oktober 2013

Die Geheimnisvolle Genese des Granits

"Im Inneren des Erdballs hausen geheimnisvolle Kräfte, deren Wirkungen an der Oberfläche zutage treten: Als Ausbrüche von Dämpfen, glühenden Schlacken und neuen vulkanischen Gesteinen, als Auftreibungen zu Inseln und zu Bergen."
Alexander von Humboldt

Am Ende des 19 Jahrhunderts, nach dem ide(ge)ologischen Sieg des "Plutonismus", wurde klar das magmatischen Gesteinen aus der  "feurigen Tiefe der Erde" stammen mussten. Allerdings ergab sich jetzt ein neues Problem - die große Gesteinsvarietät - von dunklen "basischen" Basalten zu hellen "sauren" Granitgestein - war schwer mit einer vergleichbaren Varietät im Erdinneren zu erklären.


Abb.1. Beispiel von "Brixner Granit" - links Pegmatitgang mit großen (hier chloritisierten) Glimmerplättchen und derben Quarzaggregat, rechts - typisches Granitgefüge mit kleinen Kristallen von Feldspat, Quarz und Glimmer.

Eine gängige Idee zur damaligen Zeit war, dass sich die verschiedenen magmatischen Gesteine durch Aufschmelzung bereits vorhandener Gesteine bildeten - vor allem die seltsame Zusammensetzung und Verbreitung des Granits (der zumeist auf Kontinenten gefunden wird) schien damit erklärbar. Der französische Geologe P.T. Virlet d´Aoust prägte in 1847 sogar den Begriff "Granitisierung" um diese Denkschule zu charakterisieren. Alle Granit-Varietäten (die sich deutlich von den "basaltischen" Gesteinen des Erdmantels unterscheiden) bildeten sich durch mehr oder weniger starke Aufschmelzung und chemischen Austausch in festem Zustand (Metasomatose) von anderen Gesteinen. Allerdings hatte diese Hypothese zwei große Schwachpunkte:

-    Eine graduelle Diffusion von Elementen zwischen Schmelze und aufzuschmelzendes Gestein konnte nicht die oft scharfe Grenze zwischen Granit und Umgebung erklären.
-    Die benötigten Energiemengen erschienen außerordentlich hoch und die Diffusion im teilweise aufgeschmolzenen oder gar festen Gestein vernachlässigbar klein.

Eine alternative war die "Magmatisierung", die davon ausging das unterschiedliche Schmelzen unterschiedliche Gesteine ausbilden konnten, wobei das erwähnte Problem der "Variabilität" durch unterschiedliche Ansätze überwunden wurde.

Der deutsche Chemiker Robert Wilhelm Bunsen (bekannt durch den "Bunsen-Brenner") schlug in 1851 vor das es grundsätzliche nur zwei Magmatypen auf der Erde gab - den basischen "Pyroxenit" und den sauren "Trachyt", die aus verschiedene Tiefen der Erdkruste aufsteigen. Dabei kann es zu einer Mischung der beiden Magmatypen kommen, die somit auch die restlichen intermediären Lavatypen bilden können ("Über die Processe der vulkanischen Gesteinsbildung Islands").
 

Abb.2. Idealisierter Querschnitt durch die Erdkruste, aus Emile With "L´Ecorce terrestre" (1874), die die damalige Vorstellung des schaligen Erdaufbaus gut darstellt. Konzentrische Schalen aus unterschiedlichen Magmatypen konnten laut einigen Geologen die unterschiedliche chemische Zusammensetzung von Vulkangesteinen erklären - je nachdem wo die Wurzelzone eines Vulkans lag dominierten basische oder saure Eruptivgesteine.

Diese Hypothese schien durch die Entdeckung von Andesiten und Daciten in den San-Juan-Bergen (Colorado) bestätigt zu werden. Der amerikanische Geologe Larsen beschrieb hier in 1938 große Plagioklas-Kristalle die in einer feinkörnigen Matrix mit völlig unterschiedlicher chemischer Zusammensetzung eingebettet waren. Für Bunsen schien es klar dass die Kristalle nachträglich in die Laven eingemischt wurden.

Geologe Charles Darwin hatte auf seine fünfjährigen Reise um die Welt am Bord der "Beagle" viel Zeit und viele Gelegenheiten um vulkanische Gesteine zu studieren und über sie nachzudenken:


"Die größten Schwierigkeiten die Geologen erfahren, wenn sie versuchen die Zusammensetzung der vulkanischen und plutonischen Gesteine zu vergleichen, kann, so denke ich, überwunden werden, wenn man, wie ich glaube, annimmt dass die meisten plutonischen Massen zu einem gewissen Zeitpunkt, und in einem gewissen Ausmaß, ihre verhältnismäßig schweren und leicht lösbaren Elementen verloren haben, die [dann] die Trapp- und Basaltlaven bilden."
"Geological Observations on the Volcanic Islands" (1844)

Hier schlägt Darwin eine erste Art von magmatischer Differentiation vor. Kristalle fällen sich aus dem Magma aus und sinken der Schwerkraft folgend auf den Grund der Magmakammer, die restliche Schmelze verarmt an gewissen Elementen die in diese Kristalle eingebaut wurden. Damit können sich aus einem Stamm-Magma unterschiedlichen Schmelzen und Gesteine bilden.


Einen entscheidenden Schritt im Verständnis von magmatischen Gesteinen gelang durch die Experimente von Norman Levi Bowen (1887-1956). Bowen wurde in 1887 in Kingston (Ontario, Kanada) geboren, studierte zunächst auch in Kanada, wechselte dann aber zum Massachusetts Institute of Technology wo er Arthur L. Day kennenlernte. Day war Direktor am Geophysikalischen Labor in Washington und sehr an den mineralogischen Bildungen und Reaktionen in magmatischen Gesteinen interessiert. 
Er schlug Bowen daher vor das Verhalten von Feldspat in Schmelzen zu untersuchen. Day wußte (auch aufgrund der Expeditionen und petrographischen Beobachtungen des deutschen Mineralogen Wolfgang Sartorius Freiherr von Waltershausen, 1809-1876) das Plagioklas zumeist ein Mischkristall zwischen den Endgliedern Anorthit und Albit ist, war aber darin gescheitert den Verlauf der Schmelzkurve dieser Mischung zu bestimmen. Dank elektrischer Heizöfen, genauen Temperatursonden und neuartiger Analysemethoden (z.B. dem "quenching", bei den die Proben rasch abgekühlt werden und danach analysierte werden können) konnte Bowen das Phasendiagramm des Plagioklas-Feldspats schließlich in 1913 publizieren.

 
Abb.3. Phasendiagramm der Plagioklase aus der Originalarbeit von Bowen ("The melting phenomena of the plagioclase feldspars", 1913). Dieses Diagramm erklärt wie sich beim Abkühlen durch kontinuierliche Reaktionen zwischen Kristall und Schmelze der Chemismus von Kristall und Schmelze verändern können. Wird nun der Kristall oder die Schmelze aus diesem System abgeführt, verändert sich der Ausgangschemismus  - neue Kristalle und Gesteine können sich aus dieser "neuen Schmelze" bilden. Das Diagramm kann auch umgekehrt gelesen werden - werden Kristalle erhitzt entsteht zunächst eine Schmelze mit unterschiedlicher Zusammensetzung.

Bowen war restlos davon überzeugt das allein fraktionierte Kristallisation bzw. fraktionierte Aufschmelzung die Genese von magmatischen Gesteinen erklären konnte.

Allerdings hatten auch die Hypothese der "Magmatisierung" und die weiterentwickelte Hypothese der Kristall-Fraktionierung einige schwerwiegende Schwachpunkte:

-    Um die beobachteten Volumen an Granit zu erklären benötigte man ungefähr das 9-fache an basaltischem Stamm-Magma, da die Fraktionierung ein sehr ineffizienter Vorgang ist.
-    Wieso sind Granitintrusionen nur auf den Kontinenten verbreitet? Fraktionierung sollte überall auf der Erde stattfinden können.

"Das merkwürdige liegt nicht in den gegenwärtigen Meinungsverschiedenheiten der Petrographen über den Ursprung des Granits, sondern darin, daß wir überhaupt so leidenschaftlich und starr an Meinungen festzuhalten vermögen, die sich gegenseitig ausschließen."
M. Walton (1955)


Abb.4. Feinkörnige Granit-Intrusion (rechts) in verfalteten Gneis (links). Der Gneis wurde dabei teilweise aufgeschmolzen es bildeten sich Taschen mit weißlichen Schmelzresten, während in der eigentlichen Schmelze große Plagioklase auskristallisierten. Ein späterer Pegmatit-Gang durchschlägt beide Gesteine.

Heutzutage wird ein intermediäres Modell bevorzugt um die große Variabilität innerhalb der magmatischen Gesteine zu erklären -  die verschiedensten Mechanismen spielen dabei eine Rolle:

-    Genese von Stamm-Magmen durch partielles Aufschmelzen der Gesteine des Erdmantels (Herkunft der Basalte) oder der unteren Erdkruste (dies würde die Verteilung der Granite erklären).
-    Die klassische fraktionierte Kristallisation wie sie von Bowen vorgeschlagen wurde (wobei allerdings nicht nur die Schwerkraft und Dichteunterschiede wie von Darwin gedacht, sondern auch Magmaströmungen und die Topographie der Magmakammer eine Rolle in der Ausscheidung und Ansammlung von verschiedenen Kristallen und Restschmelzen spielen).
-    Entmischung im schmelzflüssigen Zustand
-    Mischung von Magmen unterschiedlicher Herkunft, ungefähr so wie sie Bunsen vorschlug
-    Assimilation und Aufschmelzung von weiteren Fremdgestein beim Aufsteigen des Magmas durch die Erdkruste (weiterer wichtiger Mechanismus um die Genese und Verbreitung von Granit zu erklären)

Literatur:

HÖLDER, H. (1989): Kurze Geschichte der Geologie und Paläontologie - Ein Lesebuch. Springer Verlag, Heidelberg: 243
YOUNG, D.A. (2002): Norman Levi Bowen (1187-1956) and igneous rock diversity. From OLDROYD, D.R. (ed.); The Earth Inside and Out: Some Major Contributions to Geology in the Twentieth Century. Geological Society, London, Special Publications Nr. 192: 99-111

29. September 2013

Mohs Härteskala

Talk - Gips - Calcit - Fluorit - Apatit - Feldspat - Quarz - Topas - Korund - Diamant, eine Reihenfolge die den meisten Studenten der Erdwissenschaften geläufig sein sollte, gehört sie doch zur Grundausstattung unbekannte Minerale dank ihrer relativen Härte (Talk als das weichste, Diamant als das härteste natürliche Mineral) zu bestimmen.
 
Entwickelt wurde diese Härteskala von Carl Friedrich Christian Mohs, (links, Lithographie von Joseph Kriehuber, 1832) geboren am 29. Januar 1773 in Gernrode (damals Grafschaft Anhalt-Bernburg) in einer gutbürgerlichen Familie. Mit 6 Jahren wurde er eingeschult und beendete seine Klasse als Zweitbester. Eine Zeitlang arbeitete er im väterlichen Betrieb als Kaufmann, Ende April 1796 schrieb er sich jedoch an der Universität Halle  ein, wo er sich für Mathematik, Physik und Chemie begeisterte. Er setzte seine Studien an der Bergakademie Freiberg fort, wo er ein Schüler des berühmten Abraham Gottlob Werner (1749-1817) wurde. Werner, der im Jahre 1787 eine "Kurze Klassifikation und Beschreibung der verschiedenen Gesteinsarten" publiziert hatte, arbeitete an einer Gesteinsbestimmung die - ungewöhnlich für die damalige Zeit - Gesteine und Minerale "aus ihrer aeußerlichen Beschaffenheit leicht zu erkennen, von einander zu unterscheiden, und anderen kenntlich zu machen" identifizieren sollte.
 
Mohs wurde durch den praktischen Ansatz von Werner stark geprägt - so publizierte er in 1804 seine Erfahrungen als Grubenvorarbeiter in den Erzgruben des Harzes als ein Art Leitfaden zur Gesteinsbestimmung, der sich hauptsächlich an Studenten der Geowissenschaften wandte.
In 1802 nahm Mohs einen Auftrag in Wien an, bei dem es um die Neuordnung der Mineraliensammlung des holländischen Bankiers Jacob Friedrich van der Nüll ging. Hier bemerkt er gravierende Mängel in den vorherrschenden Bestimmungsschlüsseln für Mineralien, die zumeist aufgrund ihrer chemischen Zusammensetzung unterschieden wurden. In 1804 publiziert er daher einen eigenen Schlüssel unter dem Titel "Über die oryktognostische Classification nebst Versuchen eines auf blossen äußeren Kennzeichen gegründeten Mineraliensystems."
 
Mohs wandte nicht nur generelle physikalische Eigenschaften (wie Farbe, Dichte und Härte) zur Mineralienbestimmung an, sondern maß der Kristallstruktur eine große Rolle zu - er unterschied 6 "Klassen": rhomboedrische (hexagonal) - pyramidale (tetragonal) - prismatische (orthorhombische) - tessulare (kubische) -monokline - sowie trikline. Mohs unterschied schließlich drei (Haupt)Klassen mit 19 Ordnungen und 183 Spezies von Mineralien.

Abb.2. Quarz-Stufe, Mohs-Härte 7,  trigonal-trapezoedrische Kristallklasse.
 
 Abb.3. Calcit-Stufe, Mohs-Härte 3, trigonale Kristallklasse - zwei klassische Beispiele wo die Härte (bestimmt mittels einer Taschenmesserklinge, Quarz lässt sich nicht ritzen, Calzit dagegen schon) ein wichtiges Unterscheidungskriterium ist.

In 1812, als Professor am Joanneums in Graz, publizierte er einen weitere Leitfaden zur Mineralienbestimmung - er war davon überzeugt dass Mineralogie - als Lehre der eigentlichen Minerale, nicht des Gebirges, wie es die damaligen Geologen verstanden - als eigenständige Wissenschaft bestehen musste. In dieser Zeit erstellte er auch eine vorläufige Härteskala, die er aber nie in dieser ersten Form publizierte. Nach 1818 übernahm Mohs die ehemalige Stelle Werners an der königlich-sächsischen Bergakademie Freiberg.
 
Zwischen 1822-1824 publizierte Mohs schließlich seine endgültige und berühmte Härteskala im Buch "Grund-Riß der Mineralogie". 

Er kombinierte seine Lehrtätigkeit an verschiedenen europäischen Institutionen mit ausgedehnten Reisen - während einer Studienreise zu den italienischen Vulkangebieten im Jahre 1839 verschlechterte sich plötzlich sein Gesundheitszustand. Er verstarb am 29. September in Agordo (Venetien) nach sechswöchiger Krankheit. Er wurde neben dem katholischen Friedhof (Mohs war Protestant) von Agordo begraben, erst 26 Jahre wurden seine sterblichen Überreste nach Wien gebracht (seinen letzten Arbeitsplatz). 1888 wurden die Gebeine abermals exhumiert und vom evangelischen Matzleinsdorfer Friedhof in einem Ehrengrab auf dem Zentralfriedhof überführt.
 
Literatur:
 
HÖLDER, H. (1989): Kurze Geschichte der Geologie und Paläontologie - Ein Lesebuch. Springer Verlag, Heidlberg: 243
WAGENBRETH, O.(1999): Geschichte der Geologie Deutschland. Georg Thieme Verlag: 264

8. August 2013

Löss-Geolog(i)e

In April 1834 stellte der Britische Geologe Charles Lyell seine Untersuchung über eigenartige lehmige Sedimente, die im Rheintal verbreitet waren und allgemein als "Löss" bezeichnet waren, vor. Die Bezeichnung Löss wurde das erste Mal vom Geologen Karl Cäsar von Leonhard (1779-1862) in 1823-24 benutzt um einen bräunlichen Silt in der Gegend von Heidelberg zu beschreiben. Die Entstehung dieses eigenartigen Sediments war kontrovers diskutiert von den Geologen der damaligen Zeit. 

Ganz im Geiste des Aktualismus, den Lyell vertrat, schlug er vor das der fossile Löss - ähnlich wie die rezenten Auensedimente im Rheintal - von Wasserströmungen sortiert und abgelagert worden war.
Diese Interpretation schienen Fossilien von Süßwasserschnecken, die er  1845 während einer Reise in den  Vereinigten Staaten von Amerika im Mündungsgebiet des Mississippi bemerkte, zu bestätigen. Außerdem fand er im amerikanischen Löss Knochen von Eiszeittieren, damit schien zumindest das "Post-Pliozäne" (Eiszeit) - Alter dieser Sedimente  bestätigt.
 
Eine der ersten Karten die Löss-Ablagerungen darstellte wurde zwischen den Jahren 1850-1865 aufgenommen. 

Abb.1. Die "Geologische Übersichtskarte der Österreichisch-Ungarischen Monarchie" (1867-1871). Löss (teilweise als nicht gnauer definierter "Lehm" eingezeichnet) Ablagerungen sind in gelb und hellgrünen Tönen ausgehalten.

Das damalige Kaiserreich der Habsburger umfasste große Teile Mitteleuropas und es lag im Interesse der zentralen Regierung die Verbreitung von Rohstoffe zu kenne - trotz der Tatsache das Pleistozäne Sedimente nicht Schwerpunkt waren, wurden diese dennoch relativ genau kartiert.

Franz von Hauer (1822-1899) war ausgebildeter Geologe der eine Zeitlang als Bergbauingenieur gearbeitet hatte, aber ab 1846 als wissenschaftlicher Berater des Kaiser- und königliches montanistisches Museum rasch Karriere machte (er war eines der Mitglieder die den Geologischen Dienst begründeten).
Die großmaßstäbliche Kartierung des Habsburger Kaiserreichs wurde vom Direktor des Geologischen dienst Wilhelm von Haidinger (1795-1871) initiiert und Hauer führte die Arbeiten nach 1866 weiter. Um die Kartierung zu vereinheitlichen publizierte Hauer in 1875 den Leitfaden "Die Geologie und ihre Anwendung auf die Kenntnis der Bodenbeschafftenheit der österr-ungar. Monarchie" in dem er Löss als fruchtbaren Boden pries. 
Die geologische Karte die 1867 schließlich veröffentlicht wurde war eine der genauesten bis dahin, 102 geologische Formationen wurden unterschieden (frühere Karten umfassten gerade mal 22 Farben) und eine die die Verbreitung von Löss am genauesten darstellte. Andere Quartär-Einheiten umfassen interessanterweise die Pleistozänen "Diluviale Schotter und Sand" und Löss, die Alluvialen (heute Holozän) Formationen umfassten "Torf", "Kalktuff", "Flugsand" und "Alluvium" - die Bezeichnung Diluvium-Alluvium stammen noch aus einer Zeit als eine "globalen Flut" noch als geologische Möglichkeit angesehen wurde (wobei die klassische Eiszeit-Theorie um diese Sedimente zu erlären erst in jenen Jahrzehntene allgemen diskutiert und akzeptiert wurde).

Zur Genese von Löss orientiert sich Hauer an Lyell´s Interpretation - zumindest das Ausgangsmaterial von Löss ist limnischer Natur, wobei fluviatile oder äolische Umlagerung sicher stattgefunden hat.

Erst mit den Geologen P.T. Virlet d´Aoust (1800-1894) in 1857 und vor allem mit der Beschreibung der gewaltigen Löss-Ebenen in China Seitens von Ferdinand von Richthofen wurde eine (rein) äolische Genese von Löss als geologisch möglich akzeptiert. Von 1868 bis 1872 hatte Richthofen sieben Reisen durch China und umliegende Länder unternommen und veröffentlichte seine geologisch-geographischen Beobachtungen unter dem Titel "Ferdinand von Richthofen´s Tagebücher aus China" in 1877.

Abb.2. Moderne Karte der Lössablagerungen in Europa, nach HAASE et al. 2007.

Abb.3. Sahara-Staub verdeckt den Alpenhauptkamm (Aufnahme am  4 August), Feinstaub wurde dabei von einer Schönwetterfront von der Sahara über das gesamte Mittelmeer transportiert - die mächtigen fossilen Staub/Lössablagerungen in Europa sind immer noch ein (kleines) geologisches Rätsel - solche mächtigen Ablagerungen lassen sich nur durch die Annahme von großen Abrasionsflächen (Eiszeit-Tundra ?) erklären, von wo Windsyteme kontinuierlich Sedimente aufnehmen  und neu umlagern konnten.
 
Literatur:

DOTT, R.H. (1998): Charles Lyell´s debt to North America: his lectures and travels from 1841 to 1853. In: BLUNDELL & SCOTT (eds) Lyell: the Past is the Key to the Present. Geological Society, London, Special Publications: 143: 53-69
FRECHEN, M. (2011): Loess in Europe. Quaternary Science Journal. Vol. 60(1): 3-5
GAUDENYI, T. & JOVANOVIC, M. (2011): franz Ritter von Hauer's work and one of the first loess map of Central Europe. Quaternary International 234: 4-9
HAASE,D.; FINK,J.; HAASE, G.; RUSKE, R.; PECSI, M.; RICHTER, H.; ALTERMANN, M. & JÄGER, K.D. (2007): Loess in Europe - its spatial distribution based on a European loess Map, scale 1:2,500,000. Quaternary Science Reviews 26: 1301-1312