22. Mai 2015

Kunst & Geologie: Eduard von Grützner - Der Mineraloge

Eduard von Grützner wurde am 26. Mai 1846 in ärmliche Verhältnisse in der schlesischen Stadt Groß-Karlowitz geboren. Früh wurde das Talent und Interesse des Buben an Naturwissenschaften geweckt. Für den Dorpfarrer mußte er Bilder aus bekannten Reiseberichten abpausen und er erlangte Zugang zu reichhaltig ausgestatteten Bibliotheken. Herbst 1864 wurde ihm ein Studium an der Kunstakademie München vermittelt. 
Grützner wurde durch seine Porträts bekannt und wohlhabend, darunter Porträts des Mineralogen Paul von Groth, oder Werke mit dem Titel „Der Geologe“ oder „Mineraloge mit Brille“ (um 1923).

Grützner fertigte mit 14 Jahren auch eine handgeschriebene und handgezeichnete Kopie des Standardwerks Lehrbuch der Krystallkunde“ (1852) des Mineralogen Rammelsberg an, wahrscheinlich im Auftrag des Dorpfarrers. Allerdings ist bekannt das der Bub auch Eier, Schmetterlinge und Mineralien sammelte. Die Abbildungen der Kristalle sind ohne Vorzeichnung mit Hand gezeichnet, die Kristallwinkel der Zeichnungen entsprechen fast genau den Winkeln in den originalen Kristallzeichnungen - eine beachtliche Leistung und Zeichen des Talents des 14-jährigen.

 
Literatur:
 
SCHRÖDER, H.-P. (2009): Eduard von Grützners Ausflüge in die Mineralogie. LAPIS Nr.9: 40-43

21. Mai 2015

Elektrische Erdbeben

Vor dem 18. Jahrhundert wurden Erdbeben gerne als Erschütterungen von unterirdischen Explosionen erklärt. Eine anscheinend nicht zu weit hergeholte Erklärung. Eine Explosion schien die Beobachtung des Hamburger Konsul in Lissabon, Christian Stoqueler, der das starke Erdbeben von 1755 überlebt hatte, zu erklären:
 
Zuerst hörten wir ein Rumpeln, wie das Geräusch einer Kutsche, es schwoll immer mehr an, bis es so laut war, wie der Lärm der lautesten Kanone, sofort danach spürten wir den ersten Erdstoß.“
 
Es war bekannt das hochreaktive Minerale, wie Salpeter, Eisen und Wasser, in der Erdkruste vorhanden waren. Wenn diese durchgemischt wurden, zum Beispiel durch einen Erdrutsch, kam es zur Explosion. Auch wurde  angenommen das schwefelige Dämpfe durch Spalten und Höhlen zogen, trafen diese auf erzhaltiges Gestein, genügte ein Funke um das hochexplosive Gemisch zu zünden.
 
Wie man ein ein künstliches Erdbeben hervorruft. Man nehme 20 Pfund Eisenspäne, füge gleich viel Pfund Schwefel hinzu. Man knete das Ganze mit ein wenig Wasser zusammen….[] ...vergräbt man drei bis vier Fuß tief unter der Erde. Nach sechs oder sieben Stunden wird sich der vorhergesagte Effekt einstellen: Die Erde erzittert, sie bricht auf, und Feuer und Qualm treten aus.“ 
aus einem Lehbruch des französischen Chemikers Louis Lemery, um 1700.
 
In 1756 erkundete der Arzt und Naturgelehrte William Stukeley (1687-1765) die Kohlemine von Whitehaven und stellte fest:
 
Die Erde besteht im Allgemeinen aus solidem Fels, vielleicht mit kleinen Spalten. Diese Öffnung genügen aber nicht, dass Dämpfe sich so unter der Erde ausbreiten können, um Erdbeben auszulösen. Außerdem gibt es keine Minen für Schwefel, Nitrat oder anderes entzündliches Material in England.“
 
Stukeley schlug als Alternative vor, das Erdbeben durch Elektrizität verursacht werden. Erdbeben, so Stukeley, würden sich bevorzugt in trockenen Ländern oder nach langen Dürren ereignen. In Stukeleys Theorie waren Wolken elektrisch geladenen Körper (in 1752 hatte Benjamin Franklins angeblich sein berühmtes Experiment mit den elektrisierten Drachen, den er in Gewitterwolken steigen ließ, durchgeführt, auf jeden Fall war bekannt das Gewitter elektrisch Phänomene sind) – fehlten sie, wie während einer Dürre, konnte Elektrizität nicht von der Erde in den Himmel abgeleitet werden und sammelte sich an bis zur Erdbeben-Entladung an.
Elektrizität verursachte auch die Symptome die bei vielen Erdbebenopfer beobachtet wurden:
 
Kopfschmerzen, hysterische oder nervöse Störungen, Koliken. Einige Frauen hätten eine Fehlgeburt erlitten, andere seien sogar gestorben.“
 
Der anscheinend plausible elektrische Ursprung von Erdbeben wurde bald darauf eine der beliebtesten Erklärung für Erdbeben.
Abb.1. Zeitgenössische Darstellung des Erdbebens von Kalabrien (1783), dieses Ereignis wurde heiß diskutierte zwischen den Anhängern der Elektrizitätstheorie und den Anhängern die Erdbeben als unterirdische Explosionen erklärten.

20. Mai 2015

Krieg, Tod und Hungersnot - Vulkane und die „böse Zeit“

Die Kleine Eiszeit war durch ein generelles kühleres Klima gekennzeichnet. Kaltes und nasses Wetter war die Regel, dazu kam es im 17.-18. Jahrhunderts wiederholt zu Extremwetterereignissen, die ihrerseits zu Missernten führten.
Der deutsche Schriftsteller Wilhelm Raabe verarbeitet in seinem Roman „Die Chronik der Sperlingsgasse“ (1854) diese Zeit und schreibt:

Auf der Ferne liegen blutig dunkel die Donnerwolken des Krieges, und über die Nähe haben Krankheit, Hunger und Not ihren unheimlichen Schleier gelegt – es ist eine böse Zeit.“


 
Abb.1. Vier Dinge verderben ein Bergwerk - Krieg, Tod, Teuerung und Unlust - Darstellung aus dem Schwazer Bergbaubuch (1556). Tatsächlich folgten auf viele historische Vulkanausbrüche klimatisch instabile Zeiten, die wiederum eng mit Kriegen, Hungersnöte, Seuchen und Revolten zusammenfallen.

Spielten dabei Vulkane eine Rolle?

Anfang Juni 1783 brachen die isländischen Vulkane Hekla und Laki aus, die Wolken aus vulkanischen Gas und Asche wurden selbst in Mitteleuropa bemerkt, da sie die Sonne verdunkelten. Der folgende Winter 1783/84 war besonders hart mit ergiebigen Schneefällen, plötzliches Tauwetter Anfang März verursachte Überschwemmungen entlang der deutschen Flüsse. Das wechselhafte Wetter verursachte überall Ernteausfälle und Not.

Anfang April 1815 brach der Tambora auf der Indonesischen Insel Sulawesi aus, eine der stärksten Eruptionen in historischen Zeiten. Schwefeldioxid aus dem Vulkan verband sich mit der Luftfeuchtigkeit zu Schwefelsäure-Aerosole, die jahrelang in den höheren Schichten der Atmosphäre verbleiben sollten und die Sonneneinstrahlung, und somit das Wetter, erheblich beeinflussten.

Prompt spielte im folgenden Jahr das Wetter verrückt. Aus dem Königreich Württemberg wird aus dem Jahre 1816 berichtet, das „Mai und Juni fast täglich Regen und Gewitter, sodass die Äcker versoffen und Weinberge rutschten.“ Das nasse Wetter führte zu erheblichen Ernteeinbußen.
Zeitzeugen berichten von großer Not und Teuerung der Lebensmittel, es wurde sogar Mäusefleisch als Nahrung verkauft. Das Brot wurde immer kleiner, teurer und schlechter, aus Hafer und Kleie gebacken und mit Brennessel und Heublumen gestreckt. Bier wurde so teuer das es für lange Zeit überhaupt nicht mehr gebraut wurde. Die Sterblichkeit stieg deutlich an und 1817 wütetet eine Typhusepidemie im Tiroler Raum.
In Tirol war das Wetter mit 58 Regentagen extrem feucht, 1816 wurden im Sommer nur sieben schöne Tage gezählt und es schneite wiederholt ins Tal hinab. Es war der kälteste Sommer seit 1777, seit Beginn der Temperaturmessungen, mit einem Durchschnittstemperatur von 14,3°C (4,9°C kühler als der heutige Durchschnitt). Der folgende Winter war hart und der Schnee blieb weit bis in den Mai 1817 auf den Feldern liegen. Aber im Laufe des Jahres stabilisierte sich das Wetter und zum Glück war die Ernte ausreichend.


Abb.2. Historische Vulkanausbrüche und Klimaveränderungen rekonstruiert aus Grönländischen Eisbohrkernen (nach GAO et al. 2008, SCHMINCKE 2004, BÜNTGEN et al. 2011).

Aber zwischen August 1852 und Mai 1853 brach der Ätna auf Sizilien aus und wieder kam es zu Problemen mit der Grundversorgung. Der Groschenkipf, ein Semmel aus Weizenmehl der für einen Groschen zu haben war, schrumpfte zwischen 1849 und 1854 auf unter die Hälfte. 

Diese Hungersnot war auch eine der letzten in Europa die auf klimatischen Ursachen zurückzuführen ist.*
Die großen Hungersnöte des 20. Jahrhunderts fallen zeitlich mit den großen Weltkriegen zusammen, hier spielte jedoch der menschliche Wahnsinn die entscheidende Rolle. Das Klima erlaubte normale Ernteerträge, aber die Ernte wurde für die Soldaten beschlagnahmt, während die Versorgung der Zivilbevölkerung immer schwieriger wurde. Armeen zerstörten Felder und Wiesen, Arbeitskräfte gingen verloren, Lasttiere getötet oder geschlachtet – der technisch geführte Krieg sollte noch auf Jahre hinaus große Not verursachen.

*Im Jahre 2010 führten Wetterkapriolen zur Teuerung von Getreide. In Russland herschte Dürre, in Europa war das Wetter zu nass, im Schnitt gab es Einbußen von 20% im Vergleich zum Vorjahr, dies führte zu einem Preisanstieg von 40-70%.

Literatur:

 
BÜNTGEN, U. et al. (2011): 2500 Years of European Climate Variability and Human Susceptibility. Science Vol. 331: 578-582 

GAO, C.; ROBOCK, A. & AMMANN, C. (2008): Volcanic forcing of climate over the past 1500 years: An improved ice core-based index for climate models. Geophysical Research Letters: Vol.113: 1-15
MILLER, G.H. et al (2012): Abrupt onset of the Little Ice Age triggered by volcanism and sustained by sea-ice/ocean feedbacks. Geophysical Research Letters: In press
SCHMINCKE, H.-U. (2004): Volcanism. Springer, Berlin-Heidelberg: 324

6. Mai 2015

Erzpflanzen, des Geologen beste Freunde

"Denn der Bergmann muß in seiner Kunst die größte Erfahrung besitzen, so daß er erstlich weiß, welcher Berg oder Hügel, welche Stelle im Tal oder Feld nutzbringend beschürft werden könne, oder ob er auf die Schürfung verzichten muß."
"Zwölf Bücher vom Berg- und Hüttenwesen", I. Buch

Bereits prähistorische Prospektoren müssen gewisse Hinweise an der Oberfläche, die auf verborgene Schätze in der Tiefe hinweisen können, aufgefallen sein. Verwitterungsresistente Gesteine, die Erz enthielten, wie z.B. Dolomit, konnten als Härtlinge morphologische Landschaftsformen ausbilden. Auch Aufschlüsse in Bachbetten, Erosionsrinnen und Hangrutsche, auffallende Färbung des Gesteins, „Lesesteinkartierung“ in Hangschutt unter Felswänden, chemische Ausfällungen in Bächen, der metallische Geschmack von Quellen sowie Wachstumsanomalie oder bestimmte Pflanzenarten im Gelände können auf Erzadern hinweisen. 

Abb.1. Eine Quelle, der metallische Geschmack des Wassers, aber vor allem der (Rost-)rote Schlamm und die Eisenoxid-Krusten weißen auf einen hohen Eisenanteil im Gestein hin.

Das Lesen dieser Hinweiße schien Unkundigen oft geheimnisvoll, ja wurde sogar mit Hexerei gleichgesetzt.
 
Im Alpenraum spielen Sagen um die geheimnisvollen Venedigermandl eine große Rolle. Diese anscheinend italienischen Erzsucher besaßen große Kenntnisse, aber auch zauberhafte Utensilien wie den Bergspiegel, mit denen sie sozusagen in den Berg hineinschauen konnten. Der Ursprung dieses sagenhaften Werkzeugs ist nicht ganz geklärt. Vielleicht beruht es auf die Fähigkeiten der Prospektoren, aufgrund Verfärbungen oder Strukturen an einer (glatten) Fels- oder Bergwand, auf Erzadern zu schließen.
Klüfte, die Kristalle enthalten können, werden oft durch die geradlinige Verteilung von Pflanzenpolstern angezeigt. Da Klüfte wassergängig sind, dringen Wurzeln in sie hinein und Pflanzen können austreiben. Pflanzen mit tiefgreifenden Wurzeln die auf Klüften vorkommen sind zum Beispiel die Edelraute, die Primel und verschiedene Steinbrech-Arten.
Diese Wissen wurde im Mythos oft als Hexerei, oder zumindest mit Hilfe von zauberhaften Gegenständen zu erreichen, verklärt.

Tatsächlich listet bereits Georgius Agricola in seinem Textbuch  "De re metallica“ auf, wie die natürlichen Hinweise auf Erzadern im Gelände zu finden und zu beurteilen zu sind – darunter auch bestimmte Pflanzen.

Schließlich muß man auf die Bäume achten, deren Blätter im Frühling bläulich oder bleifarben sind, deren Zweigspitzen vornehmlich schwärzlich oder sonst unnatürlich gefärbt sind ... auch wächst auf einer Linie, in der sich ein Gang erstreckt, ein gewisses Kraut oder eine gewisse Pilzart ... dies sind die Hilfsmittel der Natur, durch die Gänge gefunden werden

Kümmerwuchs von Pflanzen, verursacht durch die Toxizität bestimmter Schwermetalle und Erze, wurde auch von anderen Gelehrten beschrieben, so listet Georg Grandtegger um 1731 bei der Beschreibung des Prettauer Kupfer-Bergwerks auf:

Wenn das Gras oder die Kräuter auf der Erde nicht die rechte Farbe haben oder vor der Zeit verdorren und wenn die Erde kein Gras trägt, so ist das ein Zeichen, daß darunter Erz zu finden ist.“

Findet man Bäume in einem Wald, die ihr Laub vor der rechten Zeit färben oder Mißbildungen in den Wipfeln aufweißen, so ist das ein Zeichen, daß darunter Erz zu suchen ist.“

Findet man alte Baumstöcke in der Erde, die ganz dürr und noch frisch sind, so ist das ein Zeichen von Erz."

Wenn eine Wassergisse ein Gebirge abbläst, soll man schauen, ob ein Baum samt der Wurzel umgefallen ist. Er deckt oft Erz ab.“

Der deutsche Arzt und Botaniker Johannes Thal (1542-1583) beschreibt in seinem "Sylva Hercynica" die Frühlings-Sternmiere Minuartia verna als Pflanze die wiederholt an erzhöffigen Standpunkten vorkommt. Der Italiener Andrea Cesalapino beschreibt die heutzutage treffend bezeichnete Steinkraut-Art Alyssum bertolonii von Serpentinit-Vorkommen im Bereich des Tiber, eine der ersten publizierten Geobotanischen Beobachtungen. Allerdings wird oft noch kein Zusammenhang zwischen Gestein und Vegetation hergestellt, sondern der Humusgehalt der verschiedenen Böden wird als bestimmender Faktor des Pflanzenwuchs angenommen.


Carl von Linné (1707-1778) bemerkte das Pflanzen gewisse Ansprüche an ihren Lebensraum stellen und Alexander von Humboldt gilt als Wegbereiter der Pflanzengeographie und stellte Pflanzen und ihre Verbreitung mit abiotischen faktoren (Klima, Boden) her.
 
Im Verlauf des 18. Jahrhundert werden weitere Erzpflanzen und sogar Erzflechten beschrieben. In 1789 bemerkt der Naturwissenschaftler Heinrich Friedrich Link (1767-1851),

...dass die Pflanzen, die auf trockenem Kalkboden vorkommen, von den anderen, die auf feuchtem tonigem Boden entstehen, verschieden sind.

Der französische Naturforscher Jean-Ètienne Guettard, auf der Suche nach medizinisch interessanten Kräutern, bemerkte eine Verteilung der Pflanzen auf bestimmte Gesteinsarten. In 1780 publizierte er mit diesen Daten in seinem „Atlas et Description Minéralogiques de la France” eine der ersten, wenn auch vereinfachte, geologische Karte.

Georg Ernst Wilhelm Crome (1781-1831) publizierte in 1812 "Der Boden und sein Verhältnis zu den Gewächsen" als Leitfaden für Bauern und Förstern. Aber erst der österreichische Arzt und Botaniker Franz Unger (1800-1870) stellt in seinem 1836 publizierten Werk "Über den Einfluß des Bodens auf die Verteilung der Gewächse" einen direkten Zusammenhang zwischen Vegetation, Boden und Gestein fest. Er billigt den chemischen Eigenschaften des Bodens eine entscheidende Rolle zu und unterscheidet Kalkpflanzen und Tonschiefer- oder Kieselpflanzen. Bereits zwei Jahre später veröffentlicht G. F. Ruehle ein umfangreiches Verzeichnis von "kalksteter" und "urgebirgssteter" Arten im Alpenraum. Um 1882 wird schließlich der Begriff Erzpflanzen, um 1926 "Schwermetallpflanzen“ bzw. um 1963 „Metallophyten“ eingeführt, also Pflanzen die hohe Metallkonzentrationen im Untergrund tolerieren.

Häufig ist in unmittelbarer Umgebung von Erzlagerstätten die Bodenchemie verändert, durch Sulfide oder Schwermetalle verseucht oder der Boden sehr nährstoffarm. Es kann daher in diesen Bereichen zu Kümmerwuchs, schütteres Gras oder das Fehlen von anspruchsvollen Baumarten wie Lärche, Tanne und Buche, kommen.
Metallophyten oder Zeigerpflanzen und spezielle Pflanzenassoziationen können direkt auf Erzspuren im Boden hinweisen, selbst bei schlechten Aufschlussverhältnissen. Wichtige Erzpflanzen, die auch der Geologe kennen sollte, sind das Taubenkropf-Leimkraut (Silene vulgaris und - inflata), die Schaumkresse (Arabidopsis halleri), das Stiemütterchen (Viola sp.), die Grasnelke (Armeria sp.) und die Frühlingsmiere (Minuartia sp.).
Abb.2. Viola sp., in unmittelbarer Nähe zur oben gezeigten Quelle, ein weiterer Hinweiß auf erzhaltiges Gestein im Untergrund.
 
Literatur:

BRAUN-BLANQUET, J.(1928): Pflanzensozologie - Grundzüge der Vegetationskunde. J. Springer Verlag: 330
EMMER, B. & HAFELLNER, J. (2005): Zur aktuellen Vegetation auf Abraum- und Schlackenhalden historischer Kupferbergbaue in der Montanstufe der Niederen Tauern und der Eisenerzer Alpen (Steiermark, Österreich). Mitt. naturwiss. Ver. Steiermark. Bd.134: 121-152
IMHOF, T. (2011): Kristallsuche. Valmedia: 139
PUNZ, W. (2004): Von den Erzpflanzen zu den Metallophyten. Jb. Geol. B.-A., Bd. 144(1): 101-104

2. Mai 2015

Strukturgeologie und Mittelalterlicher Bergbau

"Vermittelst seines bei sich habenden Perg Geists das Perg Männlein beschwören, Unnd aus Irrer Anntworth Clüfft und Geng, im Gebürge erfahrn...“
Beschreibung eines gewissen Hanns Aufinnger, der um 1607 behauptetet mittels eines Wurzelmännchens mit den Berggeistern in Kontakt treten zu können.


Auf die Schwingung und Verflachung der Erzgänge in Gruben muß man mit Fleiß aufmerken, wieviel in einem Klafter in geradem Seiger herauskommt.
Notä Piechl des Georg Grandtegger, 1731

In allen Bergwerksangelegenheiten, vor alle aber im Schinen, soll er geschickt und verständig sein. Er muß sich in seinem Amt jederzeit mit guten, geeigneten Stühlen, Waagen, Schnüren und Kompassen, Stäben und Klaftern, die zu jeden Schin notwendig sind, versehen, damit er First- und Sohleisen, auch Teil- oder Abschneidend Eisen, über Tage festlegen und in der Grube richtig bringen und ziehen mag.“
Beschreibung der Anforderungen und Aufgaben des Schiener (Vermessers) im „Schwazer Bergbaubuch“.
 
Das "Schwazer Bergbuch" ist eines der wichtigsten und schönsten Dokumente über das mittelalterlichen Bergbauwesen. Angefertigt im frühen 16. Jahrhundert sollte es das Interesse am (in jener Zeit kriselnden) Bergbau wach halten, zehn Kopien bzw. spätere Ausgaben sind noch erhalten. Es ist zwar ein weniger „technisches“ Werk als das beinahe zeitgleich entstandene "De re metallica libri XII", behandelt aber ausführlicher die Struktur und Personal und beleuchtet die sozialen Auswirkungen eines gewinnbringendes Bergwerks. 

Eine der beschriebenen Tätigkeiten innerhalb eines Bergwerks war die des Schiener. Der Schiner (auch Schiener) oder Markscheider war der Vermessungstechniker des mittelalterlichen Bergbaus. Seine Vermessungen und genaue Karten waren so wichtig das bei unsauberen Arbeiten dem Markscheider Strafen angedroht wurden, von einer Geldbuße bis hin zu Gefägnis.
 
Abb.1-3. Die Tätigkeit des Schieners laut dem Schwazer Bergbaubuch, dargestellt bei der Arbeit mit Messlatte und Kompass. Er trägt weites ein "Arschleder", ein nützlicher Schutz des Hinterteils bei der Arbeit unter Tage.
 
Hauptsächlich musste er die Gruben vermessen, um die Schürfkonzessionen und deren -einhaltung zu überwachen, er diente auch als Gutachter um eventuell Streitigkeiten zwischen verschiedenen Gruben zu klären. Allerdings gab es auch technische Anwendungen.
 
Um die Bewetterung zu verbessern wurden zwischen verschiedenen Gruben auch Durchschläge (Verbindungen) gegraben, es war daher auch im Interesse der Bergleute den genauen Verlauf der Stollen innerhalb des Berges zu kennen. Die Messgenauigkeit war hoch genug das entgegenkommende Stollen um kaum einen Meter abwichen.
 
Um den Verlauf eines Stollen zu definieren benötigte man Länge, Richtung und Neigung. Die Länge wurde mittels Knotenschnüre oder Bergstab, und mit einer guten Portion Augenmaß, bestimmt. Die Neigung wurde mittels einen aufgehängten Klinometers (Abb.5.) mit der Hilfe von Schnüren,  bestimmt. Die Richtung wurde ebenfalls mit Schnüren und einem Kompass bestimmt (Abb.6.).
Abb.4. Die Schiener bei der Arbeit, Miniatur aus einer Grubenkarte aus dem 18. Jahrhundert. Zu seinen Arbeitsgeräten gehörten Schnüre, Stäbe, Hängekompaß, Setzkompaß, Klinometer, Abstechen (Winkelgerät) und Quadrant.
Abb.5. Hängekompass aus dm 18. Jahrhundert.
Abb.6-7. Grubenkompass für das Einmessen des Verlaufs von Erzgängen aus dem 19. Jahrhundert und in einer Abbildung aus dem Schwazer Bergbaubuch, zusammen mit dem Schiner.

Aber auch die Bestimmung und die Einmessung von geologischen Strukturen konnte von Interesse für die Bergleute sein. 

Hartes Gestein konnte viel Widerstand leisten, der Vortrieb mit Fäustel und Meißel war auf wenige mm je Schicht, vielleicht maximal einen halben cm pro Tag, beschränkt. In standfesten Gestein musste der Stollen allerdings nicht unbedingt abgestützt werden und erhielt  ein bequemer zu durchschreitendes, eher rechteckiges Profil, mit ebener Firstfläche und mehr oder wenige geradlinigen Ulmen (Abb.8.).  In gebrächem Gebirge wurde eine Spitzbogenfirste, von der man sich höhere Stabilität erhoffte, angewendet. 
Abb.8. Mittelalterlicher Stollen des Prettauer Kupferbergwerks. Die Abbildungen der Mundlöcher des Stollens auf alten Grubenkarten können auch Hinweiße auf die Auszimmerungsart und somit Charakter des anliegenden Terrains geben.

Bewegungsflächen, Störungen und Scherzonen im Gestein bildeten natürliche Auflockerungszonen, in denen der Vortrieb des Stollens wesentlich einfacher war und bis zu 10x schneller. Aus klüftigen Gestein konnten größere Stücke herausgeschlagen werden, bei weniger klüftigen Gestein muste mit schweren Gerät mühsam Block für Block herausgestemmt werden. 
Allerdings musste in Störungszonen auch der Stollen besser abgestützt werden, daher vergrößerte sich auch der Stollenquerschnitt, um Platz für die zusätzlichen Stützbauten zu schaffen. 

Trotz diesen Mehraufwands in der Sicherung des Tunnels lohnte es sich den Stollen bevorzugt entlang von Scherflächen oder entlang von lithologischen Grenzen anzulegen - die mittelalterlichen Stollen folgen daher oft tektonischen Strukturen. Außerdem konnte entlang von Scherflächen auch ein möglicher tektonischer Versatz oder Zerscherung des Erzkörpers rechtzeitig erkannt werden und der Stollenverlauf dementsprechend korrigiert werden. Um die Lagerung des Erzkörpers abzuschätzen wurden auch mehrere Stollen zeitgleich im Berg vorgetrieben.  Auf Grubenriss-Karten aus dieser Zeit erkennt man daher oft ein seltsames Zick-Zack-Muster der Stollen, das jedoch in der Tektonik des Gebirge begründet ist. Aus diesen Grubenkarten sollten sich im Laufe der Zeit die erstes echten geologische Karten entwickeln.
 
Auch noch nach  dem Aufkommen von Schwarzpulver im Bergbau im 17. Jahrhundert spielten die tektonischen Verhältnisse des Gebirge eine Rolle. Die Position der Sprenglöcher an der Ortsbrust war von der jeweiligen Lage der Inhomogenitätsflächen abhängig und auch heute noch spielen geologische Strukturen eine bedeutende Rolle im Tunnelbau (Fortsetzung).
 
Literatur:
 
JONTES, G. (2007): Das Schwazer Bergbuch als Quelle zur Montanvolkskunde. Geo.Alp, Sonderband 1.: 63-71