2. Mai 2015

Strukturgeologie und Mittelalterlicher Bergbau

"Vermittelst seines bei sich habenden Perg Geists das Perg Männlein beschwören, Unnd aus Irrer Anntworth Clüfft und Geng, im Gebürge erfahrn...“
Beschreibung eines gewissen Hanns Aufinnger, der um 1607 behauptetet mittels eines Wurzelmännchens mit den Berggeistern in Kontakt treten zu können.


Auf die Schwingung und Verflachung der Erzgänge in Gruben muß man mit Fleiß aufmerken, wieviel in einem Klafter in geradem Seiger herauskommt.
Notä Piechl des Georg Grandtegger, 1731

In allen Bergwerksangelegenheiten, vor alle aber im Schinen, soll er geschickt und verständig sein. Er muß sich in seinem Amt jederzeit mit guten, geeigneten Stühlen, Waagen, Schnüren und Kompassen, Stäben und Klaftern, die zu jeden Schin notwendig sind, versehen, damit er First- und Sohleisen, auch Teil- oder Abschneidend Eisen, über Tage festlegen und in der Grube richtig bringen und ziehen mag.“
Beschreibung der Anforderungen und Aufgaben des Schiener (Vermessers) im „Schwazer Bergbaubuch“.
 
Das "Schwazer Bergbuch" ist eines der wichtigsten und schönsten Dokumente über das mittelalterlichen Bergbauwesen. Angefertigt im frühen 16. Jahrhundert sollte es das Interesse am (in jener Zeit kriselnden) Bergbau wach halten, zehn Kopien bzw. spätere Ausgaben sind noch erhalten. Es ist zwar ein weniger „technisches“ Werk als das beinahe zeitgleich entstandene "De re metallica libri XII", behandelt aber ausführlicher die Struktur und Personal und beleuchtet die sozialen Auswirkungen eines gewinnbringendes Bergwerks. 

Eine der beschriebenen Tätigkeiten innerhalb eines Bergwerks war die des Schiener. Der Schiner (auch Schiener) oder Markscheider war der Vermessungstechniker des mittelalterlichen Bergbaus. Seine Vermessungen und genaue Karten waren so wichtig das bei unsauberen Arbeiten dem Markscheider Strafen angedroht wurden, von einer Geldbuße bis hin zu Gefägnis.
 
Abb.1-3. Die Tätigkeit des Schieners laut dem Schwazer Bergbaubuch, dargestellt bei der Arbeit mit Messlatte und Kompass. Er trägt weites ein "Arschleder", ein nützlicher Schutz des Hinterteils bei der Arbeit unter Tage.
 
Hauptsächlich musste er die Gruben vermessen, um die Schürfkonzessionen und deren -einhaltung zu überwachen, er diente auch als Gutachter um eventuell Streitigkeiten zwischen verschiedenen Gruben zu klären. Allerdings gab es auch technische Anwendungen.
 
Um die Bewetterung zu verbessern wurden zwischen verschiedenen Gruben auch Durchschläge (Verbindungen) gegraben, es war daher auch im Interesse der Bergleute den genauen Verlauf der Stollen innerhalb des Berges zu kennen. Die Messgenauigkeit war hoch genug das entgegenkommende Stollen um kaum einen Meter abwichen.
 
Um den Verlauf eines Stollen zu definieren benötigte man Länge, Richtung und Neigung. Die Länge wurde mittels Knotenschnüre oder Bergstab, und mit einer guten Portion Augenmaß, bestimmt. Die Neigung wurde mittels einen aufgehängten Klinometers (Abb.5.) mit der Hilfe von Schnüren,  bestimmt. Die Richtung wurde ebenfalls mit Schnüren und einem Kompass bestimmt (Abb.6.).
Abb.4. Die Schiener bei der Arbeit, Miniatur aus einer Grubenkarte aus dem 18. Jahrhundert. Zu seinen Arbeitsgeräten gehörten Schnüre, Stäbe, Hängekompaß, Setzkompaß, Klinometer, Abstechen (Winkelgerät) und Quadrant.
Abb.5. Hängekompass aus dm 18. Jahrhundert.
Abb.6-7. Grubenkompass für das Einmessen des Verlaufs von Erzgängen aus dem 19. Jahrhundert und in einer Abbildung aus dem Schwazer Bergbaubuch, zusammen mit dem Schiner.

Aber auch die Bestimmung und die Einmessung von geologischen Strukturen konnte von Interesse für die Bergleute sein. 

Hartes Gestein konnte viel Widerstand leisten, der Vortrieb mit Fäustel und Meißel war auf wenige mm je Schicht, vielleicht maximal einen halben cm pro Tag, beschränkt. In standfesten Gestein musste der Stollen allerdings nicht unbedingt abgestützt werden und erhielt  ein bequemer zu durchschreitendes, eher rechteckiges Profil, mit ebener Firstfläche und mehr oder wenige geradlinigen Ulmen (Abb.8.).  In gebrächem Gebirge wurde eine Spitzbogenfirste, von der man sich höhere Stabilität erhoffte, angewendet. 
Abb.8. Mittelalterlicher Stollen des Prettauer Kupferbergwerks. Die Abbildungen der Mundlöcher des Stollens auf alten Grubenkarten können auch Hinweiße auf die Auszimmerungsart und somit Charakter des anliegenden Terrains geben.

Bewegungsflächen, Störungen und Scherzonen im Gestein bildeten natürliche Auflockerungszonen, in denen der Vortrieb des Stollens wesentlich einfacher war und bis zu 10x schneller. Aus klüftigen Gestein konnten größere Stücke herausgeschlagen werden, bei weniger klüftigen Gestein muste mit schweren Gerät mühsam Block für Block herausgestemmt werden. 
Allerdings musste in Störungszonen auch der Stollen besser abgestützt werden, daher vergrößerte sich auch der Stollenquerschnitt, um Platz für die zusätzlichen Stützbauten zu schaffen. 

Trotz diesen Mehraufwands in der Sicherung des Tunnels lohnte es sich den Stollen bevorzugt entlang von Scherflächen oder entlang von lithologischen Grenzen anzulegen - die mittelalterlichen Stollen folgen daher oft tektonischen Strukturen. Außerdem konnte entlang von Scherflächen auch ein möglicher tektonischer Versatz oder Zerscherung des Erzkörpers rechtzeitig erkannt werden und der Stollenverlauf dementsprechend korrigiert werden. Um die Lagerung des Erzkörpers abzuschätzen wurden auch mehrere Stollen zeitgleich im Berg vorgetrieben.  Auf Grubenriss-Karten aus dieser Zeit erkennt man daher oft ein seltsames Zick-Zack-Muster der Stollen, das jedoch in der Tektonik des Gebirge begründet ist. Aus diesen Grubenkarten sollten sich im Laufe der Zeit die erstes echten geologische Karten entwickeln.
 
Auch noch nach  dem Aufkommen von Schwarzpulver im Bergbau im 17. Jahrhundert spielten die tektonischen Verhältnisse des Gebirge eine Rolle. Die Position der Sprenglöcher an der Ortsbrust war von der jeweiligen Lage der Inhomogenitätsflächen abhängig und auch heute noch spielen geologische Strukturen eine bedeutende Rolle im Tunnelbau (Fortsetzung).
 
Literatur:
 
JONTES, G. (2007): Das Schwazer Bergbuch als Quelle zur Montanvolkskunde. Geo.Alp, Sonderband 1.: 63-71

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