27. November 2015

Die Walthersche Faziesregel

In 1791 schlug der berühmte Chemiker Antoine Laurent de Lavoisier (1743-1794) vor das sich die Küste von Frankreich, genügend Zeit und Eintrag von Sand durch Flüsse vorausgesetzt, langsam Richtung tieferes Wasser verlagern müsste. Dies sollte man auch in den Sedimenten sehen, Tiefwasserablagerungen sollten sukzessive von Sandablagerungen, typisch für einen Strand, überlagert werden.
 
Aber erst Johannes Walther (1860-1937) wandte dieses aktualistische Prinzip konsequent auf die geologische Vergangenheit an und formulierte die moderne Faziesregel - bei ungestörter Schichtung können Fazies übereinander liegen die zeitgleich nebeneinander liegen. Zum Beispiel bei einem Anstieg des Meeresspiegels und  Vorrücken des Meeres, kommt es zu einer Transgression der Tiefwasser-Fazies die die Strandfazies überschüttet und überlagert – Fazies die rezent räumlich getrennt nebeneinander liegen kommen daher in einem geologischen Profil übereinander zu liegen. Der Begriff Fazies wurde vom Schweizer Geologen Amanz Gressly (1814-1865) eingeführt, der ihn als "Summe aller primären organischen und anorganischen Charakteristika einer Ablagerung an einem Ort", oder einfacher gesagt - Gesamtheit der Merkmale eines Gesteins, die durch die Ablagerungsort beeinflusst werden – definierte.
 
Walther war von kränklicher Gesundheit und musste mehrmals die Schule abbrechen, privat aber an Naturwissenschaften interessiert lernte er den Geologen Adolf von Koenen (1837-1915) und interessierte sich ab da auch für  Erdgeschichte. Walther arbeitete zunächst als Landwirt, aufgrund seines wissenschaftlichen Enthusiasmus wurde er trotz fehlendem Abitur an der Universität Jena aufgenommen, wo er  Botanik, Philosophie und Zoologie studierte. Nach der Promotion in 1882 studierte er Geologie und Paläontologie in Leipzig und München. Er fand eine Anstellung als Dozent in Neapel, wo er die Gelegenheit hatte die Sedimente des Golf von Neapel zu studieren. Im Sommer 1884 kartierte er zusammen mit Edmund von Mojsisovics (1839-1907) die Nördlichen Kalkalpen. Walther verglich die Verteilung der Gesteine im rezenten Golf von Neapel mit den fossilen Gesteinen der Kalkalpen bzw. die Rolle von kalkabscheidenden Organismen im Aufbau von Sedimentgestein. Rezente wie fossile Kalkriffe bleiben eines seiner Steckenpferde, studiert er sie doch in den folgenden Jahren in Ägypten, Sinai, Indien und Sri Lanka. Er bereist Zentralasien und schließlich in 1914 Australien.
 
Walther war der Erste, der beobachtbare Sedimentationsprozesse (vor allem im marinen Bereich) der Gegenwart anwandte um die Sedimentationsprozesse in  der Vergangenheit zu verstehen, vor allem in seinem Werk "Einleitung in die Geologie als historische Wissenschaft" führte er diese Vorgehensweise, die auch heute noch in der modernen Geologie angewendet werden kann, zu ihrer Vollendung.

Abb.1. Der Rosengartens (Dolomiten) zeigt beispielhaft das Übereinanderliegen und Verzahnung verschiedener Fazies - über eine horizontale Karbonatplattform (Contrin-Formation) liegen Tiefseeablagerungen der Buchenstein-Formation, diese werden von links nach rechts von Riffschutt der Schlern-Formation überschüttet.

Abb.2. Profil gezeichnet von Mojsisovics von Mojsvar, 1879.
 
Literatur:
 
HUBMANN, B. (2009): Die großen Geologen. Marix-Verlag: 192

22. November 2015

Kunst & Geologie: Film-Geologie

Landschaften und ihre geologischen Besonderheiten können eine wichtige Rolle in Filmen spielen. Was wäre der Western ohne Monument Valley oder Goldfieber? James Bond ohne tropische Insel inklusive Superbösewicht-Versteck im aktiven Vulkan? Die Gefährten ohne die Hochebenen und dem Schicksalsberge?  

Die Szenen der „Herr der Ringe“  Trilogie (2001-2003) wurden in Neuseeland gedreht, der Vulkan Ngauruhoe spielt dabei den Schicksalsberg und Mount Owen die weiten Prärien des Tales von Dimrill Dale, östlich der Schicksalsberge, den Neuseeländischen Alpen im wahren Leben.



Spätestens seit diesen Filmen ist Neuseeland unter Filmmachern legendär. So ersetzt der Vulkan Mount Taranaki und die umgebenden Wälder kurz mal Mount Fuji im Film „Last Samurai“ (2003).
Nicht das erste Mal das fremde Landschaften für klassische Gegenden einspringen. Das eindrucksvolle Training des Batman (2008) wurde nicht im Himalaya, wie der Film weismachen will, sondern in einem anderen geologischen Traumgegend gefilmt, am Svínafellsjökull in Island.




Sieben Jahre in Tibet“ (1997) wurde in den südamerikanischen Anden gedreht, geologisch gesehen ist ein Gebirge entlang einer Subduktionszone ziemlich etwas anderes als die Kontinent-Kontinent Kollision im Himalaya, aber funktioniert trotzdem für die Stimmung des Films.
Die alten Winnetou Verfilmungen wurden aus Kostengründen nicht in Amerika, sondern im Karstgebiet des ehemaligen Jugoslawien gefilmt. Zwei große Klassiker des Spaghetti-Western, „Spiel mir das Lied vom Tod“ (1968) und für eine „Handvoll Dollar“ (1964), wurden in Spanien aufgenommen. 

Exotischer geht es in Filmproduktionen mit entsprechendem Budget zu - Jäger des verlorenen Schatzes“ (1981) spielt tatsächlich in der Schlucht von Petra, die antike „aus dem Fels herausgeschlagenen Stadt“ in Jordanien.
 

In der (geschichtlich sehr freien) Comicverfilmung "300" spielt die geologisch bedingte Engstelle des Thermopylen Pass eine wichtige Rolle.



Eingeengt zwischen hohen Bergen und dem Meer konnte eine Vorhut von Spartanern an dieser Engstelle den Marsch der Perser lang genug hinauszögern um Gegenwehr weiter Inland zu organisieren, die hohen Berge und das Einfallen zum Meer hin sind durch tektonische Störungen bedingt. Der eigentliche Filmlandschaft wurde allerdings komplett am Computer erschaffen. 

In verschiedenen Bergsteigerfilme spielt natürlicherweise der Berg eine tragende Rolle - „Everest“ (2015) wurde am Schnalstaler Gletscher in Südtirol gefilmt und in „Cliffhanger“ (1993) ersetzt der Lagazuoi in den Dolomiten die amerikanischen Rocky Mountains.
Abb.1. Die Tofane vom Lagazuoi (2.700m) aus gesehen, einmal im Film und einmal in der Realität - bestehend aus deutlich gebankten Hauptdolomit.

Neben der Schönheit oder Einzigartigkeit des Drehorts oder Location, spielen natürlich auch Erreichbarkeit eine Rolle - so ist der Gipfel des Lagazuoi, im Gegensatz zum Berg im Film, der mühsam vom Helden erklettert werden muss, ganz einfach mittels Seilbahn für Jedermann erreichbar.

Terrestrische Landschaften können auch für fremde Planeten herhalten, wenn auch etwas getrickst werden kann. "Prometheus" (2012) kann tricktechnisch vor allem mit seinen Landschaftsaufnahmen überzeugen, hier wurden Szenen aufgenommen in Island und Jordanien mittels Computer zusammengefügt.

21. November 2015

Kunst & Geologie: Die Magie des Karfunkelsteins

"Der Granat ist ein roter Stein, doch nicht wie der Rubin, weil dessen Röte wie eine rote Flamme und ohne Schatten ist [...] Und dieser Stein entsteht im Orient [...] Wenn er geschliffen und poliert wird, dann offenbaren sich sein Glanz und seine Klarheit."
Aristoteles, Über die Steine (322 v. Chr.)
 
Der griechische Philosoph Theophrastos von Eresos (371-287 v. Chr.) beschreibt Granate als "antrax" (Kohle), wohl vom feuerroten Glanz des Almandins oder Spessartins inspiriert. Der moderne Begriff Granat wird von Albertus Magnus (1200-1280) eingeführt, in 1270 beschreibt er diese Minerale als "granatus", Korn,  wohl aufgrund der abgerollten kubische Kristalle die oft in Sedimenten gefunden werden können. Almandin ist kein seltenes Mineral, kommt er doch in metamorphe wie auch magmatische Gesteine vor, relativ hart sticht er durch seinen Glanz und seine auffällige rote Farbe hervor und spielt eine wichtige Rolle im Laufe der Zeit und Kulturen.
 
Abb.1. Granat-Glimmerschiefer aus der Abfolge des Tauernfensters.

Der Almandin, eine der begehrtesten Granat-Varietäten, verdankt seinen Namen Plinius dem Älteren, Naturforscher der während des Ausbruchs des Vesuvs im Jahre 79 sein Leben verlor. Plinius beschreibt diese Varietät als "carbunculus alabandicus" – carbunculus war ein allgemeiner Name für eine ganze Reihe roter Minerale, wie Granat und Rubin, alabandicus  bezieht sich auf die Stadt von Alabanda, Kleinasien, in der heutigen Türkei, berühmt für ihre geschliffenen Edelsteine und wichtiger Handelsplatz für Almandin.

Schon in ägyptischen Zeiten, 2.000 v. Chr., war er ein beliebte Schmuckstein. Der rote Glanz des Almandins wurde mit Blut und der Sonne in Verbindung gebracht und ihm wurden mannigfaltige magische Eigenschaften zugeschrieben, war er doch gleichermaßen wirksam gegen Dämonen wie auch Gifte. Es verwundert nicht das auch der Karfunkelstein eine wichtige Rolle in Märchen und Sagen spielt. Im Ostgotenreich (489-553) war Almandin ein begehrter Schmucksteine, er wurde sogar aus dem dem fernen Indien importiert. 

Abb.2. Bibel verziert mit Gold, Smaragd, Saphir und Granat, um 600.

Noch weit bis ins 19. Jahrhundert galten Granate als Edelsteine des kleinen Mannes, da die Lagerstätten in Europa wie der Spessart oder die Alpen leicht auszubeuten waren.

16. November 2015

Kluft, Spalte...oder Störung?

Eine Kluft ist ein Trennungsbruch der entsteht wenn ein Gestein auf eine Beanspruchung spröde reagiert, also bricht. Alternativ könnte man sie auch als Bruch, Fuge, Riss oder Ruptur bezeichnen, ein kaum verwendeter Begriff ist Diaklas, für eine senkrecht zur allgemeinen Schieferung stehende Kluft.

Genau genommen kommt es bei einer Kluft zu keiner Lageveränderung der Bruchflächen. Ist eine Kluft offen spricht man von Spalte (bzw. gefüllt mit Gesteinszerreibsel), wenn es darin zu einer Auskristallisation kommt spricht man von Adern oder Gänge (Alpine Mineralküfte sind daher eigentlich keine Klüfte), bei magmatischen Intrusionen spricht man von Dyke oder vulkanischen Gang und schließlich, kommt es zu seitlichen Bewegungen, ist es geologisch gesehen eine Störung.
 
Klüfte sind von besonderen geologischen und praktischen Interesse und können verschiedene Ursachen haben, Druckentlastung bei Plutoniten (Exfoliation), Schrumpfungsrisse (bei Vulkaniten), tektonischer Stress kann zur Ausbildung eines Kluftsystem oder Kluftnetz führen,  also Kluftscharen mit unterschiedlicher Orientierung (zumeist mehr oder weniger senkrecht zueinander stehend).
 
Abb.1. Kluftsystem, bestehend aus sich verschneidenden Kluftscharen (Gruppen von orientierten Einzelklüften) in Radiolarit, Madonie (Sizilien), typische tektonische Klüfte in spröden Gestein.
Abb.2. Basaltsäulen in den Dolomiten, durch Abkühlung und Schrumpung entstehen regelmäßig angeordnete Klüfte.
Abb.3. Dike in den Dolomiten, das verwitterungsanfällige vulkanische Gestein erodiert langsam, aber schneller als der umgebende Riffkalk, zurück bleibt ein Hohlraum.

Abb.4. Kluft oder Spalte? Trennfläche in Marmor mit Grafit-Belag - Hinweis auf eine Bewegung entlang der Fläche, also eine Störung?

13. November 2015

Kunst & Geologie: Im Wein liegt Geologie

Auf der rechten Seite des Kalterersees wächst auf sonnigen Hügeln dürren Kalkgesteins der berühmte von ihm genannte Wein, der mildeste und öhlreichste in Südtirol, mehr rot als weiss, in Flaschen abgezogen mit den Weinen des griechischen Archipels um den Vorrang streitend, wesentlich verschiedene von dem, was sich oft in der Nähe und Ferne seinen Namen anmasst.“
Beda Weber "Das Land Tirol" (1838)
 
Abb.1. Weinernte, Fresko im italienischen Schloss Buonconsiglio, um 1400.

9. November 2015

Kunst & Geologie: Die Pracht der Steine

Ursprünglich bezeichnete eine Daktyliothek eine Sammlung von Fingerringen, diese Bedeutung wurde aber vor allem in der Renaissance auch auf Sammlungen von geschnittenen Steinen, wie Gemmen und Kameen, ausgeweitet. Die Schmucksteine passten bei einigen dieser Sammlungen auch auf speziellen Ringen, die wie ein normaler Ring am Finger getragen werden konnten.

Abb.1. Titelseite der „Dactyliotheca“, um 1601, neben dem Sammler (vielleicht der Autor Abraham Gorlaeus selber?) sieht man die offene Daktyliothek mit den ovalen Vertiefungen für die einzelnen Gesteinsproben.
 
Mit Glyptotheken verstand man eine Sammlung geschnittener Schmucksteine (Glypten).
 
Lithotheken oder Gesteins-Bibliotheken waren Sammlungen geschnittener und polierter Gesteine, die vor allem lehrreich sein sollten. Eine Variante davon sind Tische mit Einlegearbeiten verschiedenster Gesteine (oder versteinerter Dung...), zu denen oft auch ein Katalog der verwendeten Gesteine beigefügt war.

Abb..2. Gesteins-Bibliothek mit polierten Proben aus Tirol, 19. Jahrhundert.

7. November 2015

Edelsteine und fremde Kulturen: Metamorphe Mineralien der Südsee

Ihr sollt gen Süden fahren, um einen neuen Kontinent zu entdecken […] für den Fall, Ihr findet Minen, Mineralien oder kostbare Steine, so sollt ihr Proben jeder Art mitnehmen.“  so lautete einer der Aufträge der englischen Admiralität im Jahre 1768 an James Cook (geboren am 7 November 1728-1779), Kapitän der „Endeavour“, unterwegs in die Südsee. Ein Jahr später setze Cook als erster Westlicher seinen Fuß auf Neuseeland. 

Doch Neuseeland war nicht unbewohnt und seine mineralischen Schätze schon seit Jahrhunderte Teil der Maori-Kultur. So wurde Perlmutt aus den Schalen von Meeresmuscheln gewonnen und zur Verzierung der Kriegskanus, genannt "Waka", verwendet, wie auch den traditionellen Schnitzereien an den Wohnhäusern.
Aus weniger noblen, dafür aber harten, Gesteinen wurden Steinkeulen hergestellt. Cook notiert pflichtbewusst „Beile oder Äxte – teils aus einem harten schwarzen Stein, teils aus einem grünen Talkschiefer [gefertigt]. Für kleinere Arbeiten und Schnitzereien benützen sie […] Bruchteile aus Jaspis.“ Mit den Werkzeugen aus harten Gestein fertigten die Maori auch Schmuck an, vor allem die begehrten „Hei-Tiki“, die traditionell aus Jade bzw. dem Mineral Nephrit (bei den Maori als "Pounamu", "Kawakawa" oder "Inanga" bekannt) oder Bowenit ("tangiwai") hergestellt wurden und ebenfalls mit Perlmutt verziert werden konnten. Die Flüsse in die diese Mineralien aufgelesen wurde, wurden bezeichnenderweise „Te Wai Pounamu“ genannt – Pounamu-Wasser. 

Abb.1. Darstellung einer Maori mit traditionellen „Hei-Tiki“, Gemälde des österreichische-tschechischen  Künstlers Gottfried Lindauer (1839-1926). Die „Hei-Tiki“ stellten mythische Urahnen dar und symbolisierten Heirat und Fruchtbarkeit. 

Nephrit ist eine Amphibolit-Varietät, ein zähes Gestein durch die Verzahnung der einzelnen Mineralfasern. Bowenit ist eine Antigorit-Varetät, vor allem in Serpentiniten vorkommend, bei denen es sich um metamorph umgeprägte bzw. alterierte ultramafische Gesteine handelt.
Beide Mineralien wurden auf der Südinsel von Neuseeland gefunden, hier stehen metamorphe Ophiolithe an, aufgeschuppte Decken von basischen Gesteinen die während der Gebirgsbildung der Neuseeländischen Alpen emporgehoben wurden.
 
Literatur:
 
Varia (2015): Das Themenbuch -Edelstein. Sonderband der Mineralientage München.